von Pfarrer Roland Durst, Lupsingen
Als Vorbereitung
Herzlich willkommen zu diesem besonderen Gottesdienst, wie wir ihn seit dem
22. März über die elektronischen Medien anbieten.
Wann immer Sie sich diese Einkehr gönnen, nehmen Sie sich ein wenig Zeit für die Vorbereitung:
• richten Sie es sich gemütlich ein, und zünden Sie eine Kerze an
• stellen Sie sich gerne ein Glas Wasser, einen Tee oder Kaffee in Reichweite
• denken Sie an jene Menschen, die Ihnen nahe sind, mit denen Sie aber wegen des Notstands nicht zusammen sein können
• die Texte der Lieder sowie sämtliche Zitate aus den biblischen Büchern sind nachstehend abgedruckt
Wir wünschen Ihnen eine wohltuende Feier.
Karin Engelbrecht (Homepage), Jörg Rudin (Orgel) und Roland Durst (Pfarrer)
Franklin Ritter: Lead On, O King Eternal
Gruss/Begrüssung
Pfingstsonntag.
Das Fest der Ausgiessung
des Heiligen Geistes.
Unsichtbar und dennoch zu spüren,
unbeschreiblich und trotzdem beschrieben.
Die Wirkmacht des Göttlichen schafft Leben,
die Liebe verbindet und bewegt uns Menschen im Innersten,
daran erinnere uns die himmlische Geistkraft jeden Tag aufs Neue
Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth. (Sach4, 6b)
Amen.
Liebe Hausgemeinde
Am Donnerstag wurde ich von den Schüler:innen gefragt, was denn der Heilige Geist sei.
Das ist eine wunderbare Frage, vor deren Antwort ich grossen Respekt habe. Entsprechend vorsichtig fiel sie denn auch aus:
Für mich ist der Heilige Geist wie ein Windhauch. Aber ich spüre ihn nicht auf der Haut, sondern viel mehr in meinem Herzen, in meiner Seele. Er tut gut und lässt mich jubeln vor Freude und Glück.
Und ich kann manchmal erkennen, wer sich von seinem Wehen hat berühren lassen: das Strahlen auf einem Gesicht, die Freude in den Augen oder die Wärme in einem Wort.
Und wenn ich dann die Zeitung aufschlage oder die Nachrichtenportale im Internet anklicke, dann denke ich manchmal: Sind wir denn von allen guten Geistern verlassen?
Da werden in den USA Schwarze von Weissen zu Tode erdrückt, Frauen von fremden Männerbanden entführt und zwangsgeheiratet und leben in einem Dorf in Norddeutschland nur Neonazis – bis auf ein einziges Ehepaar.
Es wird von der Unterscheidung der Geister gesprochen. Solches sagt sich leicht. Aber wie unterscheidet man Geister, die niemand sieht, die lediglich erspürt werden können? Ist das eigene Gespür eine verlässliche Instanz oder gilt es weit mehr dem Verstand zu vertrauen? Oder gar der Ökonomie, dem Geist des Geldes sogar? Gilt es zu wissen oder reicht der Glaube? Das ruft nach Geistern zur Unterscheidung, nach Klarheit in der Klossbrühe.
Pfingsten ist das Fest der grossen Taten des Göttlichen, der langen Staus nicht nur am Gotthard oder von drei freien Tagen – wobei kaum jemand sagen kann, weshalb der Montag nach Pfingsten noch dazu genommen wurde.
Frohe Pfingsten Ihnen allen!
Lassen Sie sich begeistern für die Kleinigkeiten im Alltag, für etwas Neues im Gewohnten oder für das Zarte im grossen Getöse.
Lied 507, 1-2 O Heiliger Geist, o heiliger Gott
1. O Heiliger Geist, o heiliger Gott,
du Tröster wert in aller Not,
du bist gesandt vom Himmelsthron,
von Gott dem Vater und dem Sohn,
o Heiliger Geist, o heiliger Gott.
2. O Heiliger Geist, o heiliger Gott,
gib uns die Lieb zu deinem Wort;
zünd an in uns der Liebe Flamm,
darnach zu lieben allesamt,
o Heiliger Geist, o heiliger Gott.
Gebet
Ein Hauch, Gott,
kann dein Geist sein.
Berühre uns.
Streichle die Seele.
Erfrische den Geist.
Belüfte auch deine Kirche.
Ein heisser Atem kann dein Geist sein.
Fülle uns aus.
Brenne auf der Herzenshaut.
Blähe unsere Segel.
Wirble in deinem Haus an diesem Ort
den Staub auf,
lass die Balken erzittern,
das Feuer brennen und die Ideen fliegen.
Ein Sturm kann dein Geist sein.
Wirf uns aus gewohnten Bahnen.
Bestürme unsere Herzen,
rüttle an den Wänden.
Schaff deine Gemeinde neu,
und mach dich an dieser Welt zu schaffen.
Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein.
Begegne uns so,
dass wir dich nicht lassen können.
Amen.
(Philipp Roth)
Lied 514 Veni Sancte Spiritus (zweimal)
Veni Sancte Spiritus,
tui amoris ignem accende.
Veni Sancte Spiritus,
veni Sancte Spiritus.
Predigt zu Apg2, 1-18 – Wundersehen wagen
Die Predigt können Sie sich hier auch anhören:
Sie, liebe Gemeinde, kennen die nachfolgenden Verse aus dem 2. Kapitel der Apostelgeschichte wohl bestens: Das Tosen vom Himmel, die Zungen von Feuer, die vielen Sprachen und die Meinung gewisser Leute, die Freunde und Freundinnen Jesu seien betrunken, weil das, was die Menschen sahen und hörten, verwirrlich war.
Pfingsten hat seinen sprachlichen Ursprung in einer Zahl: 50 – im Griechischen pentecoste – so viele Tage sind es seit Ostern.
Damit verbunden ist die äusserst gewichtige Zahl 7: 7 mal 7 Tage – also 49 insgesamt – sind seit Ostern vergangen. Und nach jüdischem Denken wird dieser vollkommenen Zahl aus 7 mal 7 noch eine hinzugefügt, quasi als Gott gegebene Zugabe. Damit soll symbolisiert werden, dass nur Gott allein dem für uns Menschen Perfekten noch etwas hinzuzufügen vermag.
1 Als der 50. Tag, der Tag des Wochenfestes, gekommen war, waren sie alle beisammen. 2 Da kam plötzlich vom Himmel her ein Tosen wie von einem Wind, der heftig daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sich aufhielten. 3 Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten, und auf jede und jeden von ihnen liess sich eine nieder. 4 Da wurden sie alle von heiliger Geistkraft erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden; wie die Geistkraft es ihnen eingab, redeten sie frei heraus. 5 Unter den Jüdinnen und Juden, die in Jerusalem wohnten, gab es fromme Menschen aus jedem Volk unter dem Himmel. 6 Als nun dieses Geräusch aufkam, lief die Bevölkerung zusammen und geriet in Verwirrung, denn sie alle hörten sie in der je eigenen Landessprache reden. 7 Sie konnten es nicht fassen und wunderten sich: „Seht euch das an! Sind nicht alle, die da reden, aus Galiläa? 8 Wieso hören wir sie dann in unserer je eigenen Landessprache, die wir von Kindheit an sprechen? 9 Die aus Persien, Medien und Elam kommen, die in Mesopotamien wohnen, in Judäa und Kappadozien, in Pontus und in der Provinz Asien, 10 in Phrygien und Pamphylien, in Ägypten und in den zyrenischen Gebieten Libyens, auch die aus Rom Zurückgekehrten, 11 von Haus aus jüdisch oder konvertiert, die aus Kreta und Arabien kommen: Wir hören sie in unseren Sprachen von den grossen Taten Gottes reden.“ 12 Sie alle konnten es nicht fassen und waren unsicher; sie sprachen zueinander: „Was mag das sein?“ 13 Andere aber spotteten: „Sie sind mit Federweissem abgefüllt.“
14 Als dann Petrus, zusammen mit den elf anderen, auftrat, erhob er seine Stimme und redete zu ihnen frei heraus: „Meine jüdischen Landsleute und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sollt ihr wissen! Schenkt meinen Worten Gehör! 15 Diese hier sind doch nicht betrunken, wie ihr annehmt. Es ist ja erst die dritte Stunde am Tag. 16 Es handelt sich vielmehr darum, was durch den Propheten Joel gesagt ist: 17 Sein wird’s in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich von meiner Geistkraft ausgiessen auf alle Welt, dass eure Söhne und eure Töchter prophetisch reden, eure jungen Leute Visionen schauen und eure Alten Träume träumen. 18 Auch auf meine Sklaven und auf meine Sklavinnen will ich in jenen Tagen von meiner Geistkraft ausgiessen, dass sie prophetisch reden. (Apg2, 1-18)
Amen.
Da ereignet sich Berauschendes und Verwirrliches. Einst hatten die Menschen vor, einen Turm zu bauen, der so hoch werden sollte, dass er bis an den Himmel reichte. Der Turmbau zu Babel wurde gestoppt, weil sich die Menschen plötzlich nicht mehr verstanden: Alle redeten in unterschiedlichen Sprachen zueinander – niemand verstand den anderen. Das war ein durchaus humorvoller Akt Gottes, meine ich. Und jetzt, am jüdischen Wochenfest Schawuot, das 7 Wochen nach Pessach gefeiert wird, ereignet sich das Pfingstwunder: Die Freunde und Freundinnen Jesu wurden von der Geistkraft derart erfüllt, dass sie in ganz unterschiedlichen Sprachen zu den Menschen sprechen konnten, die aus allen Weltgegenden in Jerusalem zugegen waren.
Was beim Turmbau zu Babel als einfache aber wirkungsvolle Verwirrung verfing, wird hier in Jerusalem quasi in entgegengesetzter Richtung komplettiert: Es sollen sich die Menschen untereinander verständigen und verstehen können. Dort, wo solches geschieht, darf gerne von einem kleinen Wunder gesprochen werden. Denn wie oft meinen wir, unser Gegenüber zu verstehen – und dann müssen wir uns eingestehen, es blieb beim Meinen.
So gesehen kann Pfingsten als Symbol für Kommunikation verstanden werden. Vom Himmel herab werden wir angesprochen und sollen einander davon berichten, was uns da begeistert, berührt und bewegt.
Als die Geistkraft über dem urtümlichen Tohuwabohu schwebte, war dies der Anfang für etwas ganz und gar Neues. Mit der Kraft des Geistes ist stets ein Aufbruch, ein Aufbrechen verbunden: Das Alte soll ge-lassen werden, damit aus ihm etwas Neues entstehen kann. Doch solches verunsichert uns Menschen maximal. Die Wochen des Notstands haben dies eindrücklich gezeigt: Das einst als normal und deshalb gewohnt erlebte Alltäglich war nun plötzlich nicht mehr möglich! Eigentlich sind wir gewohnt, uns jederzeit draussen aufzuhalten – doch wir sollten zu Hause bleiben. Eigentlich reichen wir uns die Hände, umarmen uns oder küssen uns auf die Wange, wenn wir uns sehen – doch wir sollten Abstand wahren, uns nicht berühren. Eigentlich können wir uns im Dreiländereck frei bewegen – doch dann sind die Grenzen dicht.
Gewohntes, Vertrautes wurde jäh gestoppt, etwas völlig Neues, Ungewohntes wurde uns aufgetragen. Für viele Menschen war guter Rat teuer und die Einsamkeit viel zu gross, schier unerträglich lang.
Doch siehe da, die notständige Ausnahmezeit bewirkte unzählige kleine Wunder. Da wurde die Nachbarin zur Gesprächspartnerin über den Gartenzaun, plötzlich lagen ein paar Blumen auf der Eingangstreppe oder es riefen Menschen an, die man schon seit Jahren nicht mehr zu Ohr bekommen hatte.
Wir können es!
Wir können zueinander schauen und einander helfen. Es gelingt uns, im Miteinander und Füreinander ein für jedes Gemüt wohltuendes Wir-Gefühl zu entfachen.
Und in solchen Wochen des verordneten Fast-Stillstands wurde der einsame Spaziergang durch das Dorf in den nahe gelegenen Wald von einem starken Eindruck der Zusammengehörigkeit begleitet. Wenn das kein Wunder ist?!
Und jetzt wird allerorts der Weg zurück in die Normalität gesucht. In eine ‘neue Normalität’ wie beinahe überall zu lesen und zu hören ist.
Sicher, es wäre sehr zu begrüssen, wenn mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten könnten, wenn weit weniger Menschen in Flugzeuge stiegen und das Velo nicht gleich wieder in den Keller gestellt würde.
Es wäre auch nichts dagegen einzuwenden, wenn sich die Stille bewahren liesse, sich das Lebenstempo auf einem tragbaren Niveau einpendelte und die oberste Priorität in Wirtschaft und Gesellschaft weiterhin die Gesundheit von uns allen einnähme – die seelische und körperliche!
Aus meiner Sicht wünsche ich mir sehr, dass nicht nur in notständigen Zeiten und auch nicht nur heute, an Pfingsten, der Mensch und die Frage nach dem Sinn und Zweck seines Lebens im Mittelpunkt stehen.
Mir wurde in den zurückliegenden Wochen bewusst, an welch dünnem Faden unser eigenes Sein hängt. Und dass sich dieser Faden an einem gigantischen Mobile befindet, an dem alle anderen Menschen, alles andere Leben ebenso hängen. Deshalb bemühe ich mich darum, nicht möglichst schnell in jene Verhaltensmuster zurückzukehren, die ich vor der Krise als normal erfahren hatte.
Das ist ein schwieriger Weg, aber zugleich ein verlockender. Denn der Reichtum des Lebens besteht darin, aus seiner Fülle immer wieder Neues, Anderes zu entdecken. Wem es auf diese Weise gelingt, aus dem Alten, Gewohnten etwas Neues zu beginnen, darf sich glücklich schätzen. Solches Glück fällt uns unablässig zu – wir sollten es nur zu erkennen lernen.
Wohlan denn, auf dass wir uns begeistern lassen von jenem Zauber, der auch in den kleinsten, unscheinbarsten Anfängen geborgen liegt.
Amen.
Traditional: Saareleinen
Fürbitten und Unser Vater
Du Göttliches,
zu kritisieren und allfällige Defizite aufzuspüren fällt uns so oft viel zu leicht.
Bitte hilf uns darauf zu achten, mit unserer Umgebung und mit uns selbst viel behutsamer umzugehen – und das, was gelungen ist, zu geniessen.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
viele ältere und alte Menschen sind viel zu oft alleine – mit ihren Schmerzen, ihren Nöten und ihrer Geschichte.
Bitte schenk ihnen die Kraft, sich diesen einsamen, schwierigen Seiten zu öffnen und liebevolle Menschen, die sie dabei begleiten.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
Gewalt in ihren unterschiedlichsten Formen bringt Leid und Zersetzung, egal ob im kleinen Kreis der Familie oder im grossen der Weltgemeinschaft.
Bitte schenk uns den sanften Himmelshauch weit über Pfingsten hinaus, damit die zerbrechlichen Bande der Mitmenschlichkeit gestärkt werden.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
In die Stille des Innehaltens lassen wir lautlos unser Herz sprechen worunter es leidet oder worüber es jubelt…
Stille …
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Gemeinsam beten wir:
Unser Vater im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Lied 510, 1.2.4 O Gott, o Geist, o Licht des Lebens
1. O Gott, o Geist, o Licht des Lebens,
das uns im Todesschatten scheint,
du scheinst und lockst so lang vergebens,
weil Finsternis dem Lichte Feind.
O Geist, dem keiner kann entgehen,
dich lass ich meinen Jammer sehen.
2. Entdecke alles und verzehre,
was nicht in deinem Lichte rein,
wenn mir’s gleich noch so schmerzlich wäre;
die Wonne folget nach der Pein.
Du wirst mein Wesen aus dem alten
In Jesu Klarheit neu gestalten.
4. Du Atem aus der ewgen Stille,
durchwehe sanft der Seele Grund,
füll mich mit alller Gottesfülle
und da, wo Sünd und Gräuel stund,
lass Glauben, Lieb und Ehrfurcht grünen,
in Geist und Wahrheit Gott zu dienen.
Segen
Der Segen des Göttlichen sei mit Dir.
Das Göttliche schenke dir
nach jedem Sturm einen Regenbogen;
auf jede Träne einen tröstenden Blick;
in jeder Sorge ein ermutigendes Wort
und den Segen der Geduld im Ausharren;
für jedes Problem, das dir das Leben stellt,
Menschen, die es mit dir teilen;
für jeden Seufzer eine beruhigende Hand
und ein Zeichen auf jedes Gebet.
Amen.
Dmitri Shostakovich: Waltz aus Jazz Suite