von Pfarrer Roland Durst, Lupsingen
Als Vorbereitung
Herzlich willkommen zu diesem besonderen Gottesdienst, wie wir ihn seit dem
22. März über die elektronischen Medien anbieten.
Wann immer Sie sich diese Einkehr gönnen, nehmen Sie sich ein wenig Zeit für die Vorbereitung:
• richten Sie es sich gemütlich ein, und zünden Sie eine Kerze an
• stellen Sie sich gerne ein Glas Wasser, einen Tee oder Kaffee in Reichweite
• denken Sie an jene Menschen, die Ihnen nahe sind, mit denen Sie aber wegen des Notstands nicht zusammen sein können
• die Texte der Lieder sowie sämtliche Zitate aus den biblischen Büchern sind nachstehend abgedruckt
Wir wünschen Ihnen eine wohltuende Feier.
Karin Engelbrecht (Homepage), Jörg Rudin (Orgel) und Roland Durst (Pfarrer)
Charles Harford Lloyd: Elegy
Gruss/Begrüssung
Es ist Sonntag,
der 6. nach Trinitatis und der 29. dieses Jahres.
Der Sommer zeigt sich in seiner strahlenden Pracht.
Ob prächtig oder elendiglich, dein göttliches Wirken umfange die ganze Fülle des uns zugemuteten Lebens;
Eine Fülle, die auch Jesus dem Christus aufgetragen wurde und die er in unverbrüchlicher Liebe ertragen hat.
Daran erinnere uns die Kraft des himmlischen Hauchs
So spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! (Jes43, 1)
Amen.
Liebe Zuhause-Gemeinde
Die erste Hälfte der Sommerferienzeit ist vorüber. Es gab Jahre, da wurde diese Zeitspanne Sommerflaute oder Saure-Gurken-Zeit genannt. Will heissen: Es war nichts los während der Sommerferienzeit. Das scheint Schnee von vorgestern zu sein! Auch zu Beginn der zweiten Jahreshälfte dominiert das Thema Covid19 weiterhin nach Belieben die Berichterstattungen.
Einerseits wird von der fieberhaften Suche nach einem Impfstoff gegen dieses Virus berichtet. Das Besondere daran: Ansonsten konkurrierende Unternehmen der Pharmaindustrie spannen rund um den Globus zusammen und tauschen die neusten Forschungsergebnisse untereinander aus.
Andererseits fördern die getroffenen Massnahmen bei der Eindämmung der Virenverbreitung Dinge zu Tage, von denen wir uns bisher lieber abgewendet oder die wir nicht für möglich gehalten hatten:
Schwachstellen im Gesundheitswesen,
geringe Wertschätzung gegenüber bestimmten Berufsgruppen, rassistische und nationalistische Denkweisen, die weit verbreiteter sind, als wir uns dies eingestehen wollen, das bedenkliche Wanken bis anhin sicher geglaubter Dinge wie der Demokratie und einer über Jahrzehnte errungenen Kultur des friedlichen Miteinanders in Vielfalt.
Und just in diese zerbrechliche Zeit hinein wird ein Abschnitt aus dem 5. Buch Mose, dem Deuteronomium, als Predigttext vorgeschlagen, der von der Vernichtung ganzer Völker spricht. Und von Auserwählung. Alles andere als einfache Kost. Bevor wir uns diesem Brocken zuwenden, wollen wir gemeinsam und doch jede und jeder für sich singen und beten.
Lied 533, 1-3 Morgenlicht leuchtet
1. Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang.
Frühlied der Amsel, Schöpferlob klingt.
Dank für die Lieder, Dank für den Morgen,
Dank für das Wort, dem beides entspringt.
2. Sanft fallen Tropfen, sonnendurchleuchtet.
So lag auf erstem Gras erster Tau.
Dank für die Spuren Gottes im Garten,
grünende Frische, vollkommnes Blau.
3. Mein ist die Sonne, mein ist der Morgen,
Glanz, der zu mir aus Eden aufbricht!
Dank überschwänglich, Dank Gott am Morgen!
Wiedererschaffen grüsst uns das Licht.
Gebet
Wohin soll das führen, du Gott?!
Lieben soll ich meinen Nächsten so,
wie ich mich selbst liebe!
Wie soll ich das schaffen?
Und woher kommt die milde Geduld dazu?
Aber bei der Liebe zu den Feinden,
da stockt mir der Atem,
bäumt sich Widerstand in mir auf:
Was für eine überfordernde Torheit!
Daran kann ich nur scheitern!
Und dennoch soll ich darauf hoffen, darauf vertrauen?
Weltfremd
wer denkt
dass die Feindesliebe
unpraktisch ist –
der bedenkt nicht
die praktischen Folgen
der Folgen
des Feindeshasses.
(Erich Fried)
Liebe ist das Fundament und der Kitt,
der das Wir zusammenhält.
Wir –
das sind wir alle,
Freundin und Feind,
die Vertrauten und die Fremden!
Wir –
die Alternative sind Ausgrenzung und Hass,
die Zersetzung der Gemeinschaft.
Hüten wir uns davor!
Nähren wir das Miteinander
durch ein liebevolles Füreinander –
uns und unserem Nächsten zuliebe.
Amen.
Lied 829, 1-3 Herr, gib mir Mut zum Brücken bauen
1. Herr, gib mir Mut zum Brücken bauen.
Gib mir den Mut zum ersten Schritt.
Lass mich auf deine Brücken trauen,
und wenn ich gehe, geh du mit.
2. Ich möchte gerne Brücken bauen,
wo tiefe Gräben nur zu sehn.
Ich möchte hinter Zäune schauen
und über hohe Mauern gehen.
3. Ich möchte gerne Hände reichen,
wo harte Fäuste sich geballt.
Ich suche unablässig Zeichen
des Friedens zwischen Jung und Alt.
Predigt zu Dtn7, 6-12 – Auserwählung
Es sind schwierige und verstörende Verse, die dem heutigen Predigttext vorangestellt sind. Dabei ist von Vertreibung, Vernichtung geschrieben. Notabene von anderen Völkern. Von sieben, um genau zu sein. Und dann hebt der Text zu einer kurzen Predigt an. Zu einer Vergewisserungstextur, der wir in den biblischen Büchern immer wieder begegnen. Es geht dabei um zwei absolut zentrale Elemente des Glaubens: um den Bund und um die Auserwählung. So zentral diese beiden Begriffe auch sein mögen, sie sind schillernd und bedürfen der Erläuterungen.
6 Schliesslich bist du deiner Gottheit Adonaj ein heiliges Volk. Dich hat sie erwählt aus all den Völkern auf dem Erdboden, damit du ihr als Volk ganz persönlich gehörst. 7 Nicht weil ihr zahlreicher seid als andere Völker, hängt Adonaj an euch. Deswegen hat er euch nicht erwählt – schliesslich seid ihr das kleinste unter allen Völkern! 8 Nein, weil Adonaj euch liebt und sich an den Schwur hält, den er euren Vorfahren geschworen hat, führte Adonaj euch mit starker Hand aus dem Haus der Sklavenarbeit und kaufte euch aus der Hand Pharaos, des Königs von Ägypten, frei. 9 Daran sollst du erkennen, dass Adonaj, deine Gottheit, Gott selbst ist, eine treue Gottheit nämlich, die sich an die Zusage hält und über 1.000 Generationen hinweg denen gegenüber freundlich ist, die sie lieben und sich an ihre Gebote halten. 10 Sie zahlt es denen persönlich heim, die sie hassen, und lässt sie in die Irre gehen. Sie zögert nicht gegenüber denen, die sie hassen, sondern zahlt es ihnen sofort persönlich heim. 11 Darum: Achte auf die Gebote, Bestimmungen und Rechtssätze, die ich dir heute gebiete. Richte dich nach ihnen. 12 Dafür, dass ihr auf diese Rechtssätze hört, sie bewahrt und euch nach ihnen richtet, wird Adonaj, deine Gottheit, auch zu der Zusage stehen und dir die Freundlichkeit erweisen, die sie deinen Vorfahren zugeschworen hat. (Dtn7, 6-12)
Amen.
Liebe Lesende und Hörende
Wer einen Bund eingeht oder schliesst, wird so Teil einer Vereinbarung. Sinn und Zweck einer solchen Vereinbarung ist die gegenseitige Verständigung darüber, gemeinsam handeln zu wollen. Dieses Handeln soll dabei immer wieder auf die Gemeinsamkeit des Tuns überprüft werden.
Die Ehe oder der Bundesstaat sind solche Zusammenschlüsse, die das gemeinsame Handeln ins Zentrum rücken. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, stets einer Meinung zu sein. Das wissen wir alle aus eigener Erfahrung. Nein, vielmehr dreht sich das Miteinander vor allem darum, bei unterschiedlichen Ansichten einen Weg zu finden, den beide Bündnisparteien zusammen gehen können. Ein Bund ist in gewisser Weise das Ja zum Miteinander im Wissen darum, sich immer wieder um das Gemeinsame zu bemühen. Darum zu ringen.
Nun sind derlei Ringen und Mühen weitaus schwieriger vorzustellen, wenn der eine Teil des Bundes Gott ist. Wie ist mit einem solchen Gegenüber zu reden, zu ringen – ja vielleicht auch zu streiten? Aus der Sicht von uns Menschen – und das ist nach meinem Dafürhalten die einzig mögliche und redliche Perspektive – bleibt mir nur, eben dieses immer wieder zu tun: zu ringen und mich zu bemühen. Aber wofür denn? Ich meine, es gehe ein Leben lang um das Mühen und Ringen um Beziehungen. Um die Beziehung zu mir selbst wie auch um jene zu meinen Nächsten und zu meiner gesamten Umgebung. Allein schon aus der unumstösslichen Tatsache heraus, dass ich mein Leben nicht mir selbst verdanke, sondern einer Beziehung zweier anderer Menschen, verweist mich auf das Mühen um Gemeinsamkeit.
Den zweiten Begriff, um den es bei dieser heiklen Passage aus dem 5. Buch Mose geht, erachte ich als weitaus diffiziler: Auserwählung. Relativ einfach ist die Auserwählung bei einem Liebespaar zu verstehen. Die beiden haben sich getroffen und etwas Geheimnisvolles lässt sie erkennen: das ist der Mensch, bei dem ich mich geborgen, angenommen und geliebt erlebe. Problematisch jedoch ist es, wenn zwei Menschen nicht aus freien Stücken heraus Ja zueinander sagen können, weil sie nicht gefragt wurden. Andere haben über ihr Schicksal entschieden und sie wurden zu Auserwählten bestimmt.
Wird man auserwählt, dann ist man etwas Besonderes. Zumindest für jene, die diese Wahl getroffen haben. Das ist an sich nichts Heikles. Aber wenn es sich um ein ganzes Volk oder eine bestimmte Art Menschen handelt, die sich als auserwählt erfahren, dann bringt solches grosse Schwierigkeiten mit sich. Und wenn dann jene Instanz, die auserwählt, auch noch Gott ist, dann ist der maximale Schwierigkeitsgrad erreicht. Denn niemand konnte Gott je darüber befragen, was denn die Voraussetzungen dafür sind, auserwählt zu werden. Wir wissen es schlicht nicht. Die biblischen Geschichten stellen uns Erklärungen zur Verfügung, an die wir glauben oder die wir kritisch befragen können.
Der Auserwählungsgedanke hat alleine schon in der jüngeren Geschichte des
20. Jahrhunderts zu unbeschreiblichem Leid geführt. Wir wissen es also spätestens seit dem Holocaust: Auserwählung als Brief und Siegel für krudes Machtdenken und entsprechendes Handeln, wird zur Hölle auf Erden. Das Feuer der selbsternannten Überhöhung über andere, wird von Hass und diffusen Ängsten genährt. Und es zerstört mit Sicherheit das, was just ein Bund zu erhalten versucht: Das Gemeinsame.
So frage ich,
mit welchem Recht erheben sich Menschen über andere durch die Farbe ihrer Haut, durch die Macht ihres Geldes oder aufgrund ewiggestriger Vorstellungen von Rollenbildern?
Reicht es nicht, wenn die krassen Unterschiede aufgrund des Geburtslandes, der sozialen Herkunft und der damit verbundenen extrem unterschiedlichen Möglichkeiten, das eigene Leben gestalten zu können, schon absurdeste Höhenunterschiede darstellen?
Wir brauchen weder Überhöhung noch Auserwählung. Beides wirkt auf Unterschiede, auf Ausgrenzung und ein unbegründetes Gefälle hin.
Wir brauchen unbedingt viel mehr Gemeinsames, Verbindendes und Fürsorgendes.
Also genau das, was einen Bund so besonders macht.
Es gilt anzuerkennen, dass ein Bund nicht auf die Verwirklichung des Individuums angelegt ist, sondern auf die Verwirklichung eines beziehungsreichen Zusammenlebens.
Ein beziehungsreiches Zusammenleben gelingt nur dann, wenn die Unterschiede als Vielfalt und nicht als bedrohlich erfahren werden.
Um die Vielfalt als Reichtum zu erkennen, braucht es ein tragfähiges Fundament, auf dem Unterschiede ausgestanden, ausgehalten werden können.
Ein derart tolerantes Fundament enthält viel Liebe, widerfahrenes Mitgefühl und aufrichtig gezeigte Wertschätzung – am besten schon vor der Geburt eines neuen Lebens.
Es sind nie und nimmer die Mächtigen und Einflussreichen, die unser Miteinander und Füreinander stärken.
Sie und ich und all die Menschen, mit denen wir Tag für Tag zu tun haben, können dafür besorgt sein, den Bund zwischen Gott, der Liebe, und allem, was lebt, zu pflegen.
Bemühen wir uns um ein wohlwollendes Füreinander und ringen wir um ein gelingendes Miteinander.
Amen.
Ennio Morricone: Once upon a time in the West
Fürbitten und Unser Vater
Du Göttliches,
es steht geschrieben: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ – es soll und darf aber nicht nur bei dieser Buchstabenreihe bleiben.
Schenk uns den Mut und das Vertrauen, diesen Buchstaben täglich neues Leben einzuhauchen.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
was heisst es‚ zu glauben? Und welcher Glaube ist der rechte, richtige und einzige? Bitte lass uns tief in unserem Herzen die Weisheit wahren, dass Antworten auf diese Fragen nur für mich und nie für andere gelten können.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
das Miteinander strengt an und belastet bisweilen mehr als es erträglich scheint – das gilt im Sandkasten genauso wie auf der Teppichetage, in der Zweierkiste ebenso wie in grossen Regierungskoalitionen.
Bitte hilf uns, dass wir unser Tun und Lassen, unser Denken und Wollen am Wohl der Gemeinschaft und an der Stärkung des Miteinanders prüfen.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
In die Stille des Innehaltens lassen wir lautlos unser Herz sprechen wovon es weint oder jauchzt
Stille…
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Gemeinsam beten wir:
Unser Vater im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Lied 343, 1-4 Komm, Herr, segne uns
1./4. Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen,
sondern überall uns zu dir bekennen.
Nie sind wir allein, stets sind wir die Deinen.
Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.
2. Keiner kann allein Segen sich bewahren.
Weil du reichlich gibst, müssen wir nicht sparen.
Segen kann gedeihn, wo wir alles teilen,
schlimmen Schaden heilen, lieben und verzeihn.
3. Frieden gabst du schon, Frieden muss noch werden,
weil du ihn versprichst uns zum Wohl auf Erden.
Hilf, dass wir ihn tun, wo wir ihn erspähen;
die mit Tränen säen, werden in ihm ruhn.
Segen
Der Herr segne dich und behüte dich,
denn in Gottes Obhut bist du angenom-
men und geliebt;
das Göttliche lasse sein Angesicht leuchten über dir
und sei dir gnädig,
so kannst du dir und deinem Gegenüber
mit Geduld und Gelassenheit begegnen;
Gott erhebe sein Angesicht auf dich
und schenke dir Geborgenheit und Frieden,
so bricht ein Stück Himmel auf Erden an.
Amen.
Ennio Morricone: Sacco e Vanzetti