GLOCKEN von BRETZWIL
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von Pfarrerin Franziska Eich Gradwohl, Bretzwil
Was man braucht:
• Mindestens eine Person aus demselben Haushalt
• Eine Kerze
• Eine Bibel
• Ein Gesangbuch
Ein kleiner Tipp:
• Es fällt leichter, wenn man sich einen festen Zeitpunkt setzt.
• Zum Beispiel am Sonntagmorgen, zur normalen Gottesdienstzeit um 9.30 Uhr, im Vertrauen, dass dann auch andere dasselbe lesen, hören, singen, beten…
O. Yoshiisa, H. Hiromori, F. Eckert: Kimi Ga Yo – Organist: Raphael Weber
Jesus sagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.
Amen
Unter dieser Zusage sind wir heute versammelt, nicht von Angesicht zu Angesicht, vielleicht wirklich zu zweit oder dritt, vielleicht auch allein vor dem Bildschirm, aber im Vertrauen darauf, dass ER mitten unter uns ist, wenn wir lesen, beten und singen.
Herzlich willkommen zum Lese-Gottesdienst am zweiten Sonntag, an dem wir nicht in der Kirche, sondern zu Hause feiern. Ich hoffe, Ihnen geht es den Umständen entsprechend gut, und Sie können einen zwar neuen, aber nicht minder erfüllten Alltag leben.
Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen Gottes
Gott gibt uns unser Leben, befreit uns zu neuen Wegen
Und ist bei uns in der Liebe, Freude und Kraft,
die in Gottes Geist ihren Ursprung hat.
Amen
Lied 39, 1-3 Geborgen, geliebt und gesegnet
1. Geborgen, geliebt und gesegnet,
gehalten, getragen, geführt
erkennen wir Gott. Er begegnet,
wenn Schweigen den Schweigenden spürt.
2. Wir wären wie brüchige Wände,
zerberstend im nächtlichen Sturm,
wenn heut ein Gott sich nicht fände
Geborgenheit, Tore und Turm.
3. Wir wären gebildete Toren
Und Sklaven der eigenen Macht,
im eigenen Lichte verloren,
fänd Gott nicht durch unsere Nacht.
Gebet
Gott des Himmels und der Erde,
wir sind hier, allein hinter unseren Bildschirmen,
bleiben zu Hause,
können andere nicht treffen, müssen uns zurücknehmen.
Das macht uns traurig und einsam.
Doch jetzt sind wir hier,
verbunden miteinander durch gute Gedanken und durch das Gebet,
und bringen vor dich, was uns bewegt:
die Fassungslosigkeit darüber, dass so viele Menschen an Covid-19 sterben,
die Bilder von Spitälern in Italien, im Tessin und überall auf der Welt, die uns bedrücken.
Unsere Ängste und Sorgen für Menschen – nahe und ferne.
Und unsere Ungewissheit darüber, was die Zukunft alles noch bringen wird.
Wir bitten dich,
schenke uns die Zuversicht, die Kraft und die nötige Gelassenheit,
dass wir unseren ungewohnten Alltag bestehen können.
Erfülle uns mit dem Vertrauen auf dich, mit dem wir leben können.
Amen
Lied 39, 5-6 Geborgen, geliebt und gesegnet
5. Wir wären ein Nichts unter Sternen,
ein Hauch, den die Waage nicht misst,
wär Liebe, was wir nicht mehr lernen,
und Gott, was die Erde vergisst.
6. Geborgen, geliebt und gesegnet,
gehalten, getragen, geführt,
besingen wir Gott. Er begegnet
im Wort, das uns heute berührt.
Predigt Hebräer 13, 12-14
„Darum hat auch Jesus, um durch sein eigenes Blut das Volk zu heiligen, ausserhalb des Tores gelitten. Lasst uns also vor das Lager hinausziehen zu ihm und seine Schmach tragen, denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebräer 13, 12-14, Zürcher Bibel)
„So lasst uns nun hinausziehen!“
– doch halt! Das gerade nicht, liebe Gemeinde!
Nicht in diesen Wochen! „Bleiben Sie zu Hause“ heisst es im Fernseher und Radio, auf Nachrichten-Apps und von Prominenten. Roger Federer, Christa Rigozzi, Stress und andere Schweizer Prominente ermahnen uns.
Von wegen: „So lasst uns nun zu ihm hinausziehen vor das Lager“! Drinnen bleiben sollen wir.
Das „Drinnenbleiben“ jedoch ist etwas Aussergewöhnliches. Vieles ist so anders als sonst, so ungewohnt. Wie sind drinnen im Haus im Ausnahmezustand.
Wir Gewohnheitstiere müssen unsere Gewohnheiten ändern. Den Impuls, Menschen mit Handschlag zu begrüssen oder zu umarmen, müssen viele in letzter Sekunde unterdrücken, Kontakte pflegen wir mit Telefon und Sozialen Netzwerken, der schnelle Besuch und das Kaffeetrinken mit Freundinnen, Kollegen, Nachbarn – gestrichen.
Und so ist unser Leben drinnen zurzeit auch ein Aussen.
Wir leben außerhalb der sonstigen Gewohnheiten.
Und bleiben weitgehend zuhause.
Und damit verhalten sich auch die nicht Infizierten weitgehend so, wie es die Infizierten und Kranken tun müssen – aus Rücksicht und Solidarität, damit wir andere und unser Gesundheitssystem nicht gefährden. Und hinter dem Gesundheitssystem stehen alles Menschen: Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, die sich abrackern, damit es möglichst für alle reicht, und kranke Menschen, die irgendwann einmal vielleicht keinen Platz mehr haben in der Intensivstation.
Doch was sagt der Predigttext heute? „Darum hat auch Jesus, um durch sein eigenes Blut das Volk zu heiligen, ausserhalb des Tores gelitten. Lasst uns also vor das Lager hinausziehen zu ihm und seine Schmach tragen.“
„Ausserhalb des Tores“ – das klingt nach Ortsangabe, ist aber keine. Ausserhalb meint hier: Jesus starb ausserhalb des heiligen Bezirks, ausserhalb des Tempels dort in der profanen Welt, dort, wo das Elend ist, dort wo Bedrohung und Schmach ist. Genau dorthin, so der Hebräerbrief, sollen wir Christinnen und Christen ihm folgen. Solidarität ist gefragt für die Leute vor dem Tor, die Menschen ausserhalb, am Rand der Gesellschaft, die Menschen, welche ausserhalb von gerechten und solidarischen Strukturen leben müssen. Unsere Solidarität ist gefragt für die Leute vor dem Tor, die im Abseits stehen, im Schatten, die out sind. Ausserhalb des Tores meint auch „out“ sein.
Jesus selbst ist dahin gegangen, ja war ausserhalb, war out und hat sich bis zum Schluss eingesetzt für alle, die „out“ waren, auch für die, die dachten, sie wären „in“.
Wir sollen nach aussen gehen, dorthin, wo unsere Solidarität gefragt ist. So macht die Fastenaktion jedes Jahr in der Passionszeit aufmerksam auf Menschen ausserhalb von unserer alltäglichen Wahrnehmung, und auf Probleme, die wir sonst wohl nicht bemerken würden. Dieses Jahr macht die Kampagne aufmerksam auf die Not der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern überall auf der Welt, die abhängig werden und sind von grossen Konzernen und deren Saatgut.
Das Aussen meint auch die Menschen, die ausserhalb der Grenzen stehen, vor Griechenland, Flüchtlinge, die dringend ein sicheres „Drinnen“ brauchen.
Und was heisst in und out in sog. Corona-Zeit für uns?
Wir bleiben zu Hause – wie Millionen von Menschen zu Zeit weltweit. Dieses nach Draussen-gehen, diese Solidarität bedeutet für uns momentan physisch drinnen bleiben. Momentan müssen wir mental nach draussen gehen zu den Menschen, die uns brauchen. Wir bleiben drinnen und vergessen dabei die nicht, die da draussen sind: im Nachbarhaus, im Dorf, im Land und überall auf der Welt.
Auch den zweiten Teil des heutigen Predigttextes lesen oder hören wir in der jetzigen Situation vielleicht intensiver, mit anderen Augen oder Ohren: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Seit ich mich erinnern kann, war das Bewusstsein für den Tod und die Vergänglichkeit nicht so hoch, wie gerade jetzt. Die tägliche Schreckensnachricht über die Anzahl der Toten in China, Italien, Spanien, England, USA und der Schweiz machen uns schmerzlich bewusst, dass wir vergänglich sind.
Etwas, was wir in unserem Alltag dank unserer Heilungsmöglichkeiten erfolgreich vergessen konnten, hat uns eingeholt.
„Wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir.“ So besingt es auch das Deutsche Requiem von Brahms. Bei der Uraufführung von Brahms Deutschem Requiem gab es „zischendes Gesindel“, wie Zeitzeugen vermerkten. Dass wir hier keine bleibende Statt haben, ist für Konzertbesucher, die komfortable Bürgerhäuser bewohnen und zwei Kutschen ihr Eigen nennen, auch nur schwer zu ertragen.
Uns geht es heute auch ähnlich, auch wir wollten und wollen das eigentlich nicht hören: das mit der bleibenden Statt, die wir schlicht nicht haben.
Auf Erden jedenfalls nicht.
Die meisten leben und handeln so, als lebten wir ewig, als blieben die Häuser auf ewig in unserm Besitz. Dabei werden die meisten nach dem Tode ihrer Besitzer verkauft. Das klingt jetzt vielleicht nach Moralpredigt, aber das ist nicht Absicht. Darin versteckt sich kein Vorwurf, viel mehr eine Feststellung – denn eigentlich sollten wir uns freuen, dass wir diese Tatsache dank guter Lebensumstände verdrängen konnten.
Jetzt holt sie uns schmerzlich ein, die Tatsache: Wir sind nur Gast auf Erden und haben hier keine bleibende Stadt. Auf schöne Weise beschreibt das eine Chassidische Geschichte:
Lange vor dem zweiten Weltkrieg reiste ein junger Mann durch Polen. Damals, als es dort noch Shtetl gab. Der junge Mann besuchte einen Rabbi, der für seine grosse Weisheit berühmt war.
Dieser Rabbi lebte in einer bescheidenen Holzhütte, die nur aus einem einzigen Raum bestand. Ausser endlos vielen Büchern, einem Tisch und einer Bank besass der weise Rabbi überhaupt keine Möbel.
Der junge Mann fragte: „Wo sind deine Möbel, Rabbi?“
„Wo sind denn deine?““ fragte der Rabbi zurück.
„Meine? … Aber, ich bin doch nur auf der Durchreise!“
„Ich auch“, antwortete der Rabbi, „ich auch.“
Wir haben hier keine bleibende Statt.
Wir sind bloss Gäste auf diesem unendlich erwählten blauen Planeten. Das ist so. Doch wir haben Hoffnungsbilder, die uns darauf verweisen, dass es mehr gibt als das, was gerade ist:
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“
Die zukünftige Stadt? Welche?
Die Bibel beschreibt die zukünftige Stadt als „Hütte Gottes bei den Menschen“. In der Offenbarung steht die Verheissung und der Trost: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“
So soll es sein – dann in dieser zukünftigen Stadt.
Und so soll es sein – jetzt schon – in Ansätzen. Das ist die Richtung, dahin sind wir unterwegs.
Die zukünftige Stadt suchen wir. „Glaube“ … wäre dann so etwas wie ein Vorbehalt oder ein Vertrauen: Da ist MEHR als all das, da ist eine göttliche Kraft, die uns nahe sein will.
Das was ist, ist nicht alles, das was wir haben, ist nur geliehen. Wir bleiben nicht. Aber auf uns wartet MEHR.
Draussen zu sein oder im Aussergewöhnlichen drinnen fühlt sich fremd an. Sich in der Welt auch fremd zu fühlen – das aber gehört zum Glauben dazu.
Wir werden „im Draussen“ erwartet, das sich zwar momentan drinnen ereignet.
Wir werden erwartet: von diesem MEHR, von IHM.
Amen
P. Brugge, F. Weber, R. Linhof: Applaus, Applaus
Fürbitten
von Pfarrerin Doris Joachim, Evangelische Kirche Hessen und Nassau
Wie eine Mutter tröstet
Gebet mit Bezug zu Jesaja 66,13: Gott sagt: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
Lass dir erzählen, Gott, wie es uns geht. In diesen Tagen.
Wo alles so anders ist. So durcheinander.
Wo die Sonne lacht und wir die Freude vergessen.
Wo die Natur neues Leben hervorbringt und wir in Ängsten sind.
Tröste uns, wie eine Mutter tröstet.
Lass dir erzählen, Gott, wie es deinen Menschen geht.
Den Alten in den Pflegeheimen, die wir nicht mehr besuchen dürfen wie sonst.
Und den Kranken, die meist ohne ihre Lieben in den Krankenhäusern sind.
Allen Menschen, die in ihren Wohnungen bleiben müssen und die Einsamkeit fürchten.
Tröste sie, wie eine Mutter tröstet.
Lass dir erzählen, Gott, wie es deinen Menschen geht.
Den Kindern, die die Sorge der Erwachsenen spüren.
Den Jugendlichen, für die Ruhe halten so schwer ist.
Den Eltern, die jetzt so viele Lösungen finden müssen.
Allen Menschen, die um ihre Existenz fürchten.
Tröste sie, wie eine Mutter tröstet.
Lass dir erzählen, Gott, wie es deinen Menschen geht.
Den Menschen, die sowieso schon am Ende ihrer Kräfte sind.
In den Flüchtlingslagern in Griechenland und anderswo.
In den griechisch-türkischen Grenzgebieten.
Und lass dir erzählen von den vielen Menschen, dort und hier, die helfen und nicht müde werden.
Tröste sie, wie eine Mutter tröstet.
Gott, schütte sanft deinen Trost über uns aus. Der uns umhüllt.
Und Segen dazu.
Der uns immun macht gegen die Panik.
Sage zu unserem ängstlichen Herzen:
„Beruhige dich.“
Sprich zu unserer verzagten Seele:
„Ja, die Gefahr ist da. Aber ich bin bei dir.“
Und noch dazu und allem zum Trotz:
Gib uns die Freude wieder.
An der Sonne.
An der aufbrechenden Natur.
An den Menschen, die wir lieben.
An dir, du Gott des Lebens.
Damit wir mutig durch diese Zeit gehen.
Unser Vater im Himmel,
Geheiligt werde dein Name,
Dein Reich komme,
Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden
Unser tägliches Brot gib uns heute,
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen
Lied 824, 1-4 Herr, lass deine Wahrheit
1. Herr, lass deine Wahrheit, uns vor Augen stehen.
Lass in deiner Klarheit, Lug und Trug vergehn.
2. Gib uns reine Herzen, mach uns dienstbereit
Und zu hellen Kerzen in der Dunkelheit.
3. Liebe uns erfülle; lenke Herz und Hand
Weil dein Liebeswille alle Welt umspannt.
4. Lass uns in der Stille hören deinen Plan
Und tun, was dein Wille uns hat kundgetan.
Schlusslied 346, 1-4 Bewahre uns Gott, behüte uns Gott
1. Bewahre uns Gott, behüte uns Gott,
Sei mit uns auf unsern Wegen.
Sei Quelle und Brot in Wüstennot,
Sei um uns mit deinem Segen.
2. Bewahre uns Gott, behüte uns Gott,
Sei mit uns in allem Leiden.
Voll Wärme und Licht dein Angesicht,
Sei nahe in schweren Zeiten.
3. Bewahre uns Gott, behüte uns Gott,
Sei mit uns vor allem Bösen.
Sei Wille und Kraft, die Frieden schafft,
sei in uns, uns zu erllösen
4. Bewahre uns Gott, behüte uns Gott,
Sei mit uns durch deinen Segen.
Dein Heiliger Geist, der Leben verheisst,
sei um uns auf unsere Wegen.
Segen
Gott segne und behüte dich
Gott schenke dir Freude am Leben,
Hoffnung für alles Kommende
Und Kraft zum Lieben.
Gottes Geist begleitet und stärke dich
Auf all deinen Wegen
Amen
Johann Sebastian Bach: Praeludium und Fuge in F-Dur (BWV 556) – Organist: Raphael Weber
• Und jetzt noch Kirchenkaffee daheim
• und verbunden am Telefon mit einer anderen Person.