von Pfarrer Hans Bollinger, Ziefen
Als Vorbereitung
Herzlich willkommen zu diesem besonderen Gottesdienst, wie wir ihn seit dem
22. März über die elektronischen Medien anbieten.
Wann immer Sie sich diese Einkehr gönnen, nehmen Sie sich ein wenig Zeit für die Vorbereitung:
• richten Sie es sich gemütlich ein, und zünden Sie eine Kerze an
• stellen Sie sich gerne ein Glas Wasser, einen Tee oder Kaffee in Reichweite
• denken Sie an jene Menschen, die Ihnen nahe sind, mit denen Sie aber wegen des Notstands nicht zusammen sein können
• die Texte der Lieder sowie sämtliche Zitate aus den biblischen Büchern sind nachstehend abgedruckt
Wir wünschen Ihnen eine wohltuende Feier.
Karin Engelbrecht (Homepage), Jörg Rudin (Orgel) und Hans Bollinger (Pfarrer)
J.G. Vierling: Allegro moderato
Grusswort und Begrüssung
Wer unter dem Schirm des Höchsten wohnt, wer im Schatten des Allmächtigen ruht, der darf sprechen zum HERRN:
Meine Zuflucht, meine Feste, mein Gott, auf den ich vertraue! (Psalm 91, 1)
Liebe Zuhörerin und lieber Zuhörer, liebe Leserin und lieber Leser
Herzlich willkommen zu diesem Gottesdienst in dieser besonderen Zeit in dieser besonderen Art.
Wir sind mit dem Wort aus der Bibel, mit dem Lied aus unserem Gesangbuch und mit den Melodien der Orgel, den vielen Klängen aus der Ziefner Kirche St. Blasius miteinander verbunden.
Nach der kirchlichen Zählung sind wir heute am 1. Sonntag nach Trinitatis am Gottesdienst feiern und hören dabei auf ein Wort aus dem 130. Psalm, wo es heisst: Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu Dir,
höre auf meine Stimme!
Lied 570, 1-4 Lobet den Herren alle, die ihn ehren
1. Lobet den HERREN alle, die ihn ehren;
lasst uns mit Freuden seinem Namen singen
und Preis und Dank zu seinem Altar bringen.
Lobet den HERREN.
2. Der unser Leben, das er uns gegeben,
in dieser Nacht so väterlich bedecket
und aus dem Schlaf uns fröhlich auferwecket.
Lobet den HERREN.
3. Dass unsre Sinnen wir noch brauchen können
Und Händ und Füsse, Zung und Lippen regen,
das haben wir zu danken seinem Segen.
Lobet den HERREN.
4. O treuer Hüter, Brunnen aller Güter,
ach lass doch ferner über unser Leben
bei Tag und Nacht dein Huld und Güte schweben.
Lobet den HERREN.
Eingangsgebet
GROSSER GOTT
Wir danken dir für das grosse Geheimnis deiner Gnade, zu der du uns auch heute rufst.
Wenn wir dies auch noch nicht in der ganzen Tiefe verstehen, so willst du uns doch zur Freude rufen,
dass wir fröhlich werden in dir, fröhlich mitten in dieser Welt, über der so viel Schweres liegt.
HERR
Du schaffst alles neu: die Menschen, ihre Familien und Völker, ja die ganze Kreatur, die Erde und alle
ihre Geschöpfe. Wir wissen, dass du uns vom Himmel her nahe bist mit der Kraft deines Reiches.
LIEBER VATER
So mach dein Wort stark und lebendig unter uns, dass es neuen Mut, neuen Glauben und Gehorsam,
neue Hoffnung und Liebe schaffe. Stärke und ermutige uns durch deine Kraft, dass wir selber zu
BotschaftsträgerInnen werden und von Herzen froh und dankbar aus deinen Quellen schöpfen dürfen.
Amen.
J.G. Herzog: Jesu, meines Lebens Leben
Lesung
Psalm 130, 1-8: Aus tiefer Not
Ein Wallfahrtslied.
Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir,
höre auf meine Stimme!
Lass deine Ohren merken auf mein lautes Flehen.
Wenn du die Sünden anrechnest, HERR,
wer kann bestehen?
Doch bei dir ist Vergebung,
auf dass man dich fürchte.
Ich hoffe auf dich, o HERR,
meine Seele hofft auf dein Wort.
Meine Seele harrt auf den HERRN,
mehr als die Wächter auf den Morgen.
Mehr als die Wächter auf den Morgen,
harre, Israel, auf den HERRN!
Denn bei dem HERRN ist die Gnade,
bei ihm ist reichlich Erlösung.
Ja, er wird Israel erlösen von all seinen Sünden.
Amen.
Lied 509, 1-4 Komm, o komm, du Geist des Lebens
1. Komm, o komm, du Geist des Lebens,
wahrer Gott von Ewigkeit.
Deine Kraft sei nicht vergebens;
sie erfüll uns jederzeit.
So wird Geist und Licht und Schein
in den dunklen Herzen sein.
2. Gib in unser Herz und Sinnen
Weisheit, Rat, Verstand und Zucht,
dass wir andres nicht beginnen
als, was nur dein Wille sucht.
Dein Erkenntnis werde gross
und mach uns von Irrtum los.
3. Lass uns hin zum Vater treten
frei mit aller Freudigkeit;
seufz auch in uns, wenn wir beten,
und vertritt uns allezeit.
So wird unsre Bitt erhört
und die Zuversicht vermehrt.
4. Wird uns auch nach Troste bange,
wenn das Herz oft rufen muss:
Ach, mein Gott, mein Gott, wie lange?
o so mache den Beschluss.
Sprich der Seele tröstlich zu
und gib Mut, Geduld und Ruh.
Predigt zu Psalm 130, 1 und 5
Liebe Hörerin und lieber Hörer, liebe Leserin und lieber Leser der Predigtgedanken
In diesem Psalmwort ruft eine bedrückte Seele nach Hilfe. Hilfe an höchster Stelle: Hilfe bei Gott persönlich. Wir wissen nicht, was den Psalmschreiber so heftig bedrückt: ob er unerträgliche Schmerzen hat, ob er einen schmerzlichen Verlust erlitten hat, ob er beruflich in höchste Not geraten ist oder ob seine Angst vor Krieg oder Hungersnot oder einer Seuche begründet ist.
Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir,
höre auf meine Stimme!
Mich sprechen diese Worte aus dem Psalm 130 immer wieder an. Sei das beim Zuhören einer harten Geschichte in einem Seelsorgegespräch, sei das aus einer eigenen persönlichen Erfahrung oder auch in den vielen vergangenen Wochen, wo auch wir zu kümmern und zu sorgen hatten, in grosser Ungewissheit uns ängsteten, was aus der Epidemie, die sich zu einer Pandemie entwickelte, noch alles auf uns zukommen wird. Die Bilder, die wir wohl alle gesehen haben und wohl auch lange nicht mehr aus Kopf und Herz entfernen können, Bilder, zuerst aus Norditalien, und dann vom Elsass, die dann Schritt für Schritt von einem Land zum anderen sprangen und Beängstigendes zeigten: überfordertes Pflegepersonal, die trotz übermenschlicher Anstrengung, der Lage nicht Meister wurden, und immer neue und immer mehr Patienten in die überfüllten Spitäler gebracht wurden, wo die Angst um sich griff und bange fragen liess: was tun, wenn kein Platz mehr vorhanden ist? Notlazarette wurden aufgebaut, und alle verfügbaren Fachkräfte, selbst das Sanitätspersonal vom Militär wurde aufgeboten, um Unterstützung zu leisten.
Es waren anfänglich viele Stunden, die ich vor dem Fernsehgerät verbrachte, um die täglichen News zu vernehmen. Die früheren Berichte aus dem chinesischen Wuhan waren plötzlich Berichte, die ganz aus unserer südlichen und westlichen Nähe stammten. Die Folgen davon haben wir auch alle erfahren müssen: die Grenzen wurden geschlossen, der öffentliche Verkehr heruntergefahren, Läden und viele KMU’s von einem auf den anderen Tag geschlossen, selbst die Schulhäuser mussten ihre Tore schliessen. Viele Ängste entstanden und lähmten uns – besonders heftig für die älteren Menschen, die alleine in ihrem Zuhause niemanden hatten, mit denen sie ihre Situation besprechen konnten.
Wie oft ist mir der Psalmist mit seinen damaligen Worten in den Sinn gekommen. Und ich denke, wenn er heute leben würde, hätte er dieselben Worte gerufen:
Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir,
höre auf meine Stimme!
Liebe Hörerin und lieber Hörer, liebe Leserin und lieber Leser
Mir ist dieser Vers aber auch aus einem anderen Grunde in herzhafter Erinnerung geblieben. Damals, als ich selber Konfirmand war, wurden wir von einem älteren Pfarrer unterrichtet, der nicht nur Ernst hiess, sondern auch ernst war. Auch wir mussten unsere Präsenzen in den Gottesdiensten leisten. Aber ich hörte unserem Pfarrer auch aufmerksam zu, und es fiel mir auf, dass er dieses Psalmwort häufig gebrauchte. Viele Jahre später, wo wir als Berufskollegen auch eine schöne Freundschaft pflegten, da hat er mir einst erzählt, dass er ein schweres Schicksal erleiden musste: sein Sohn sei, als er auf einem Bauernhof arbeitete, mit dem Traktor tödlich verunglückt. Mir schauderte, als der alte Pfarrer dies mir anvertraute und mich damit in sein Herz blicken liess. Und ich begriff ganz plötzlich, was er immer und immer wieder in seine Verkündigung einfliessen liess:
Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir,
höre auf meine Stimme!
Seine Trauer und seine Not um das geliebte Kind haben ihn ein Leben lang begleitet. Unermesslich das Leid, das er und seine Familie zu erleiden hatten. Dazu war er Pfarrer und wusste von der frohen Botschaft, und er hat sie auch herzhaft vertreten und verkündigt. Aber seine Ernsthaftigkeit, im wahrstenSinne des Wortes, war wie ein roter Faden durch sein Leben und seine Arbeit gezogen. Und im Psalmentext heisst es noch eindringlich weiter:
Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir,
höre auf meine Stimme!
Lass deine Ohren merken
auf mein lautes Flehen!
Ein solches Schicksal kann man im Leben nie vergessen. Wir können wohl nur das EINE tun: auch diese ganze Not, diese Trauer und sicherlich auch diese Wut, ebenfalls zu Gott zu schreien. Und genau dies tut der Psalmendichter: er vertraut seinem Gott auch seine schwere Last an und lässt damit Raum entstehen für Gottes Antwort. Seine Worte sind wenige aber klar und Balsam für Herz und Seele.
Ich hoffe auf dich, o HERR,
meine Seele hofft auf dein Wort.
Meine Seele harrt auf den HERRN,
mehr als die Wächter auf den Morgen.
Nicht nur mein lieber, alter und nun schon seit vielen Jahren verstorbener Pfarrersfreund, hat wohl unzählige schlaflose Nächte hinter sich bringen müssen, auch wir sind wohl viele nächtliche Stunden wach gelegen in dieser Pandemiezeit und haben tiefe Fragen, Probleme und Sorgen gewälzt.
Aber dass der Psalmdichter wieder zum Psalmsänger werden durfte, liegt daran, dass er von dieser wunderbaren Kraft Gottes aufgefangen und getragen wurde. Er hat Trost empfangen für seine Not, Barmherzigkeit erfahren in seinem Leiden, und er hat das in sein Gedicht eingewoben mit den Worten:
Denn bei dem HERRN ist die Gnade,
bei IHM ist reichlich Erlösung.
In Gott geborgen und getragen, so dürfen wir wieder neue Kraft und neuen Mut empfangen. Unsere Seele schöpft neue Hoffnung, und das ist im wahrsten Sinne des Wortes: frohe Botschaft. In schwerster Stunde hat dies Dietrich Bonhoeffer in wunderbare Worte gekleidet – ebenfalls aus der Not und Sorge geboren:
Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
GOTT ist bei uns am Abend und am Morgen,
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Amen.
G.F. Händel: Eternal Source Of Light Divine
Fürbittegebet und Unser Vater
Barmherziger Gott
Deine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Auf deine Kraft stützen wir uns, wenn wir in Ängsten und Sorgen sind. Wie der Psalmist dürfen auch wir heutige Menschen auf deinen Trost und deine Barm-herzigkeit bauen und erfahren, dass du uns hörst.
Wir dürfen unsere Not auch schreiend zu dir tragen, wenn wir verletzt sind, liebe Menschen verlieren müssen und keinen Rat mehr wissen. Wir dürfen zu dir kommen, wie wir sind und wo wir sind. Du kennst uns, und du liebst uns.
Wir bitten aber auch für die Vielen, die in grosser Not um ihr Überleben kämpfen müssen. Nicht nur dieser Virus bereitet uns Sorgen, sondern auch das Schreien der Natur, das Leiden deiner Schöpfung.
Wir bitten für die Menschen, die unter Krieg und Gewalt leiden: Menschen, die in aller Not hungern und dürsten nach Gerechtigkeit. Lass ihnen eine Hoffnung wachsen für eine gerechtere und liebevollere Welt, die geschwisterlich und fürsorglich gelebt werden darf.
Wir bitten dich, HERR, in dieser besonderen Zeit, um ein gutes Gedächtnis, damit wir all das Gute nicht vergessen, das wir empfangen durften. Dort, wo wir Hilfe erfahren haben und auch dort, wo wir helfen konnten.
Unser Vater im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Lied 349, 1-3 Segne und behüte uns
1. Segne und behüte
uns nach deiner Güte.
Gott, erheb dein Angesicht
über uns und gib uns Licht
2. Schenk uns deinen Frieden
alle Tag hienieden,
gib uns deinen Heilgen Geist,
der uns stets zu Christus weist.
3. Amen, Amen, Amen.
Ehre sei dem Namen
unsers Herren Jesus Christ,
der der Erst und Letzte ist.
Aaronitischer Segen
HERR, segne uns und behüte uns!
HERR, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig!
HERR, erhebe dein Angesicht auf uns und schenke uns deinen Frieden.
Amen.
J.S. Bach: Concerto G-Dur