von Pfarrer Andreas Olbrich, Reigoldswil
Als Vorbereitung
Herzlich willkommen zu diesem besonderen Gottesdienst, wie wir ihn seit dem 22. März über die elektronischen Medien anbieten.
Wann immer Sie sich diese Einkehr gönnen, nehmen Sie sich ein wenig Zeit für die Vorbereitung:
• richten Sie es sich gemütlich ein, und zünden Sie eine Kerze an
• stellen Sie sich gerne ein Glas Wasser, einen Tee oder Kaffee in Reichweite
• denken Sie an jene Menschen, die Ihnen nahe sind, mit denen Sie aber wegen des Notstands nicht zusammen sein können
• die Texte der Lieder sowie sämtliche Zitate aus den biblischen Büchern sind nachstehend abgedruckt
Wir wünschen Ihnen eine wohltuende Feier.
Karin Engelbrecht (Homepage), Heidy M. Müller (Orgel) und Andreas Olbrich (Pfarrer)
Dieterich Buxtehude: Vater unser (BuxWV2219)
Grusswort und Begrüssung
Im Namen Gottes, der versöhnt.
Im Namen Jesu Christi, der vergibt.
Im Namen heiliger Geistkraft, die uns Vergebung schenkt.
Amen.
Einen lieben Gruss an alle, im Sessel in der Stube oder im Stuhl am Küchentisch, im Altersheim Moosmatt oder im Kantonsspital.
Schön, dass wir in Gemeinschaft Gottesdienst feiern, auch wenn wir nicht beisammen sind, gemeinsam beten, lesen und singen, uns Gottes Wort zusprechen und den Segen empfangen.
Lied 160,1-5 Tut mir auf die schöne Pforte
1. Tut mir auf die schöne Pforte,
führet mich in Zion ein;
ach wie wird an diesem Orte
meine Seele fröhlich sein!
Hier ist Gottes Angesicht,
hier ist lauter Trost und Licht.
2. Herr, ich bin zu dir gekommen,
komme du nun auch zu mir;
wo du Wohnung hast genommen,
ist der Himmel auch mit dir.
Zieh in meinem Herzen ein,
lass es deinen Tempel sein.
3. Lass in Furcht mich vor dich treten;
heilge du Leib, Seel und Geist,
dass mein Singen und mein Beten
dir ein lieblich Opfer heisst.
Heilige mir Mund und Ohr,
zieh das Herz zu dir empor.
4. Mache mich zum guten Lande,
wenn dein Saatkorn auf mich fällt;
gib mir Licht in dem Verstande,
und, was mir wird vorgestellt,
präge du im Herzen ein,
lass es mir zur Frucht gedeihn.
5. Rede, Herr, so will ich hören,
und dein Wille wird erfüllt;
nichts lass meine Andacht stören,
wenn der Brunn des Lebens quillt.
Speise mich mit Himmelsbrot,
tröste mich in aller Not.
Eingangsgebet
Gott
komm uns entgegen mit deiner belebenden Geistkraft.
Komm zu uns und hauche uns Kraft ein, neuen Atem.
Komm zu uns in die Häuser und Einrichtungen, in die Wohnungen und Zimmer.
Komm zu uns und sprich dein befreiendes Wort.
Sprich dein: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid.
Ich will euch erquicken.
Sprich dein: Dir sind deine Sünden vergeben!
Sprich dein: Komm und folge mir nach!
Hilf unserer Schwachheit auf!
Heile unsere Verzweiflung,
heile unsere Gier,
heile unsere Trägheit,
heile unsere Hartherzigkeit.
Tröste uns und schenke uns neu Vertrauen in dir.
Amen.
Lied 706, Nichts soll dich ängsten (dreimal)
Nichts soll dich ängsten,
nichts soll dich quälen,
wer sich an Gott hält,
dem wird nichts fehlen –
nichts soll dich ängsten,
nichts soll dich quälen,
Gott allein genügt.
Lesungen
Psalm 103
Von David. Segne die Eine, du meine Lebenskraft! Alles in mir segne ihren heiligen Namen! Segne die Eine, du meine Lebenskraft! Vergiss nicht, was sie alles vollbracht hat: Die dir alle deine Schuld vergibt, alle deine Krankheiten heilt, die dein Leben aus dem Grab befreit, dich mit Güte und Barmherzigkeit krönt, die deine Schönheit mit Gutem sättigt, dass sich deine Jugend erneuert wie ein Phönix. Gerechtigkeit bewirkt die Eine, spricht Recht allen, die unter Gewalt leiden. Ihre Wege hat sie Mose wissen lassen, die Menschen in Israel ihre Taten. Mitfühlend, voll Zuneigung ist die Eine, langsam zum Zorn und reich an Freundlichkeit. Nicht für immer bleibt sie im Streit, nicht auf Dauer ist sie zornig. Nicht nach unseren Sünden hat sie uns bewertet, nicht nach unserer Schuld an uns gehandelt. Ja, hoch wie der Himmel über der Erde ist ihre Güte mächtig über denen, die ihr in Ehrfurcht begegnen. Fern wie der Sonnenaufgang vom Abend, so weit entfernt sie unsere Fehler von uns. Wie ein Vater mit seinen Kindern fühlt, schenkt die Eine ihr Mitgefühl denen, die ihr in Ehrfurcht begegnen. Sie weiss, woraus wir gebildet sind, erinnert sich, dass wir Staub sind. Menschen – wie Gras sind ihre Tage, wie Wildblumen blühen sie auf. Da: Ein Wind weht vorüber – weg sind sie, hinterlassen keine Spur. Die Güte der Einen – seit jeher und für immer gilt sie denen, die ihr in Ehrfurcht begegnen, ihre Gerechtigkeit gilt Generationen, allen, die ihren Bund bewahren, sich an ihre Anweisungen erinnern und danach leben wollen. Die Eine, im Himmel ist ihr Thron gegründet, ihr Königtum herrscht über das All. Segnet die Eine, ihr Engel! Mächtige Kräfte, die ihr Wort ausführen, damit der Klang ihres Wortes Gehör findet. Segnet die Eine, all ihr himmlischen Heere! Die ihr dienen, die tun, was ihr gefällt. Segnet die Eine, alle ihre Geschöpfe, an allen Orten, wo immer sie herrscht! Segne die Eine, du meine Lebenskraft!
Johannes 21, 15-19
Als sie nun gegessen haben, sagt Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr, als diese mich lieben? Er sagt zu ihm: Ja, Herr, du weisst, dass ich dich lieb habe. Er sagt zu ihm: Weide meine Lämmer! Und er sagt ein zweites Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Der sagt zu ihm: Ja, Herr, du weisst, dass ich dich lieb habe. Er sagt zu ihm: Hüte meine Schafe! Er sagt zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und er sagt zu ihm: Herr, du weisst alles, du siehst doch, dass ich dich lieb habe. Jesus sagt zu ihm: Weide meine Schafe! Amen, amen, ich sage dir: Als du jünger warst, hast du dich selber gegürtet und bist gegangen, wohin du wolltest. Wenn du aber älter wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst. Das aber sagte er, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde. Und nachdem er dies gesagt hatte, sagte er zu ihm: Folge mir!
Amen.
Lied 18, 1-5 Der Herr, mein Hirte, führet mich
1. Der Herr, mein Hirte, führet mich.
Führwahr, nichts mangelt mir.
Er lagert mich auf grünen Au’n
Bei frischem Wasser hier.
2. Erquickung schenkt er meiner Seel
und führet gnädiglich
um seines hohen Namens Ehr
auf rechter Strasse mich.
3. Geh ich durchs dunkle Todestal,
ich fürcht kein Unglück dort,
denn du bist da, dein Stecken und Stab
sind Tröstung mir und Hort.
4. Den Tisch bereitest du vor mir
selbst vor der Feinde Schar.
Mein Haupt salbst du mit deinem Öl.
Mein Kelch fliesst über gar.
5. Ja, deine Güte folget mir
mein ganzes Leben lang.
Und immerdar im Haus des Herrn
ertönt der Lobgesang.
Predigt
Im Matthäusevangelium steht im 6. Kapitel ein Abschnitt, der für den heutigen Sonntag, der den Namen Rogate (Bittet! Betet!) trägt, ausgewählt wurde. Da spricht Jesus: „Und wenn ihr betet, sollt ihr es nicht machen wie die Heuchler: Die stehen gern in den Synagogen und an den Strassenecken und beten, um sich den Leuten zu zeigen. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon bezogen. Wenn du aber betest, geh in deine Kammer, schliess die Tür und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten. Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden; sie meinen nämlich, sie werden ihrer vielen Worte wegen erhört. Tut es ihnen nicht gleich! Euer Vater weiss, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet. So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel. Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Das Brot, das wir nötig haben, gib uns heute! Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben haben jenen, die an uns schuldig geworden sind. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird auch euer Vater eure Verfehlungen nicht vergeben.“
Liebe Gemeinde,
Frömmigkeit zur Schau zu stellen, nur für die anderen zu beten, damit man als fromm und rechtschaffen gilt, diese Zeiten haben wir hinter uns. Das braucht heutzutage niemand mehr. Das war vielleicht vor 50 Jahren noch angebracht, aber heutzutage beten, damit andere mich beim Beten sehen und denken: Toller Typ. In diese Versuchung gerät heute kaum jemand mehr.
Dazu ist das Ansehen der Betenden und des Gebets zu sehr geschwunden.
„Wenn du aber betest, geh in deine Kammer, schliess die Tür und bete …“ Das ist haargenau in unsere Situation hinein gesprochen. Die Kirchen sind geschlossen, Gottesdienste zu feiern ist bis Mitte Juni sicher verboten.
Und so finden wir uns vor in unserer Kammer, allein, vielleicht zu zweit, mit geschlossenen Türen. Und beten in unseren Häusern.
Da ist es gut, dass wir dieses Gebet haben, dass wir ein Gebet haben, das Christinnen und Christen wohlbekannt ist und dessen Worte uns miteinander verbinden, auch wenn wir zur Zeit in unserer Kammer allein beten.
Dieses Gebet beten wir gemeinsam in jedem Gottesdienst, es ist vielen Menschen vertraut, viele Menschen sprechen es auswendig.
Und weil wir nicht viele Worte machen sollen, deshalb sollen wir gemeinsam so beten: „Unser Vater in den Himmeln“.
Mit dieser Anrede stellt sich Jesus in die Tradition des jüdischen Gebets. Bei Jesaja heisst es: „An die Gnadentaten Gottes werde ich erinnern, an die Ruhmestaten Gottes, an alles, was Gott für uns getan hat. … Wo ist der, der sie heraufgeführt hat aus dem Meer, … , der das Wasser vor ihnen teilte. … So hast du dein Volk geleitet, um dir einen herrlichen Namen zu machen. Schau herab vom Himmel … Du bist doch unser Vater. … Du, Gott, bist doch unser Vater, Unser-Erlöser-seit-uralten-Zeiten ist dein Name.“ (Jesaja 63) Unser Vater in den Himmeln, so betet der Jude Jesus.
„Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, auch auf Erden.“
Gottes Name machte schon Mose Probleme. Und er fragte Gott, was er denn sagen solle, wenn das Volk Israel ihn fragte, wie denn der Name Gottes lautete. Worauf Gott ihm die Antwort gab: „Ich werde sein, der ich sein werde. So sollst du zu den Israeliten sagen: Der „Ich-bin-da“, der hat mich zu euch gesandt.“ (2. Mose 3, 14) Der ich werde mich als der erweisen, als der ich mich erweisen werde.
Und als dieser Gott und unter diesem Namen führt er Israel aus der Sklaverei und befreit sie zu seinem Volk. Und mit dieser Befreiung aus der Sklaverei, mit dieser Befreiung und Indienstnahme heiligt Gott seinen Namen. Und gibt seinem Volk bis auf den heutigen Tag den Auftrag, diesen Namen zu heiligen, Licht für die Völker zu sein.
Gottes Reich ist nah. „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“, so predigt Johannes der Täufer (Matthäus 3, 2). Und so vernehmen es die Fischer und Bauern auch aus Jesu Mund: „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ (4, 17) Wenn ihr einem Hungrigen zu essen gebt, wenn ihr einer Dürstenden zu trinken gebt, wenn ihr Fremden Unterkunft gebt, wenn ihr jemanden kleidet, der nichts hat, Kranke und Gefangene besucht. (25, 31-46) Wenn Blinde blicken und Lahme laufen (11, 5), wenn das geknickte Rohr aufgerichtet wird, wenn wir unsere Nächsten erkennen und lieben, dann bricht das Reich Gottes an.
Dein Reich komme, diese Bitte wird mit Jesus nicht überflüssig. Sie ist und bleibt zentral, um uns an die Werke der Barmherzigkeit zu erinnern.
„Dein Wille geschehe, wie im Himmel, auch auf Erden.“ Hier geraten wir immer wieder in Streit, bei der Frage nach dem Willen Gottes. Was ist Gottes Wille, was erwartet er von uns? Was bedeutet gottgefälliges Leben? Wozu bin ich auf der Welt? Habe ich eine Aufgabe? Was ist der Sinn meines Lebens? Die Frage kann vielfältige Formen annehmen.
Und wer Gottes Willen tut, dem rückt Jesus sehr nahe: „Denn wer den Willen meines Vaters im Himmel tut, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter.“ (12, 50)
„Unser Brot für morgen gib uns heute. Und vergib uns unsre Schulden, wie auch wir vergeben haben unsern Schuldnern. Und bring uns nicht in Versuchung, sondern bewahr uns vor dem Bösen.“
„Unser Brot für morgen“ heute schon. Diese Bitte führt uns in eine fremde Welt. In die Welt Jesu, wo viele kein regelmässiges Einkommen hatten und das Essen für den nächsten Tag nicht gesichert war. Auch morgen genug zu essen, diese Bitte ist auch heute aktuell für viele Menschen auf der Welt.
Wir aber, die wir in Reigoldswil oder Titterten, in Bretzwil oder Lauwil, in Ziefen oder Lupsingen oder Arboldswil, im Baselbiet oder in der Schweiz diese Bitte sprechen, wir bitten nicht für uns. Wir haben zumeist im Überfluss Brot und Belag, Gipfeli und Croissants, Toastbrot und Zopf, Kuchen und Torte, und noch vieles mehr. Wir leben mehr oder weniger im Überfluss und die meisten brauchen den Hunger – Gott sei Dank – nicht zu fürchten.
Wir bitten hier wohl stellvertretend, für die Menschen, denen es am Nötigsten fehlt. Denen das Brot fehlt: in den überfüllten Flüchtlingslagern, in den Kriegsgebieten im Yemen, in Syrien, in den Hungergebieten auf der ganzen Welt.
Gerade hier wird deutlich, dass Beten und Handeln zusammen gehört, sonst wird es wieder Schau-Beten, sonst steht es in der Gefahr, heuchlerisches Wort zu werden.
Im Beten erinnern wir uns, lassen uns erinnern an das, was wichtig ist. Nahrung, ohne die niemand auskommt.
„Und vergib uns unsre Schulden“ (und unsre Schuld), wie wir auch vergeben haben.
Wir gehen in die Irre, wir häufen Schuld und Schulden an vor Gott. Aber Gott streicht die Schulden, tilgt die Schuld. Gott begegnet uns immer wieder – unvoreingenommen. Als hätten wir keine Schuld und keine Schulden.
Und Gott fragt: Wie fühlst du dich? Und wir spüren: Erleichtert. Gott sei Dank werden wir nicht bei unseren Schulden, bei unserer Schuld behaftet. Wir bekommen erneut Kredit. Dürfen loslegen, neu anfangen. Aber wir sind die Schuld nicht los und werden sie auch nicht los, wir tragen unsere Schuld und können das. Und fangen auch neu an im Verhältnis zu den anderen: Sehen ihre Schuld in einem anderen Licht. Aber vielleicht auch nicht.
„Und führe uns nicht in Versuchung, sondern bewahr uns vor dem Bösen.“
„Führe uns nicht zum Verrat an dir.“ übersetzt Luise Schottroff in der Bibel in gerechter Sprache und bringt noch einmal eine andere Blickrichtung ins Spiel. Bei der Geschichte vom barmherzigen Samariter wird Jesus von einem Toralehrer versucht oder, anders übersetzt, geprüft, fühlt der ihm auf den Zahn.
Bei all diesen Übersetzungen bleibt der erschreckende Sachverhalt, dass Gott versucht, dass die Versuchungen von Gott ausgehen. Wie in der Geschichte, wo Gott Abraham befiehlt, Isaak zu binden und zu opfern (1. Mose 22). Oder wo Gott, zwar von Satan angestiftet, eine Art Menschenversuch mit Hiob anstellt und ihm alles erdenkliche Leid zufügt.
Egal, ob man das Böse als Figur von Gott trennt oder bei Gott lässt, es bleibt ein Schrecken, der nicht aufgeht, der sich nicht auflöst.
„Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird auch euer Vater eure Verfehlungen nicht vergeben.“
Hier wird noch einmal das Thema Vergebung aufgegriffen und ausgeführt. Wenn wir vergeben, hat das Folgen und wenn wir nicht vergeben, hat auch das Folgen.
Es scheint noch einmal deutlich zu werden, dass dieses Thema grosses Gewicht bei Matthäus hat. Viel später lässt Matthäus Jesus das Gleichnis von einem Knecht erzählen, dem der Herr eine unermesslich grosse Schuld erlässt. Und dieser Knecht, dem alles erlassen wurde, treibt eine im Verhältnis dazu unbedeutende Schuld bei einem anderen Knecht unbarmherzig und mit aller Gewalt ein. (18, 21-35) Vergeben, eine Schuld tragbar machen, erträglich machen fällt uns Menschen schwer, manchmal unendlich schwer. Und manche Schuld ist auch nicht zu vergeben.
Genau deshalb ist diese Bitte wichtig.
Dieser kurze Gang durch das Unser Vater Gebet, der vieles nur anreisst, macht deutlich, dass in diesem Gebet ganz wesentliche Gedanken Jesu zu Wort kommen.
Geheiligt dein Name, dein Reich nahe herbeigekommen, dein Wille grundlegend für unser Leben. Matthäus greift das am Ende der Bergpredigt noch einmal auf, wenn er Jesus sagen lässt: „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“ (7, 21)
Und auch die Bitte um das morgige Brot schon heute findet sich in vielen Geschichten bei Matthäus, bei den Speisungen, wo alle satt werden, bei der Mahlgemeinschaft mit Ausgeschlossenen, bei der Einladung zum Gastmahl. Und zentral die Liebe Jesu zu den Menschen, die in der Vergebung der Sünden zum Ausdruck kommt. Gott kommt in Jesus den Menschen ganz nah.
Und zum Schluss das Abgründige, das Dunkle, die Anfechtung und das Böse, das auch zu Gott gehört und im Kreuz Jesu mitschwingt.
Das Unser Vater, ein Gebet mit Ecken und Kanten, mit Tiefgang und Gewicht. Es ist ein Schatz gerade in diesen sonderbaren Zeiten, wenn wir ein Gebet haben, das uns miteinander verbindet, das uns beten lehrt, das uns zum Handeln antreibt, das uns Impulse schenkt für unser Leben.
Und auch wenn wir es manchmal im Gottesdienst einfach nur mitbeten, ohne Sinn und Verstand, und es einfach an uns vorbeirauscht, es verbindet uns miteinander. Es trägt unsere Gemeinschaft. Und es ist Trost in dieser Zeit, dass ich mich verbunden weiss im Gebet mit so vielen Menschen, wenn sie beten: „Unser Vater im Himmel,…“
Amen.
J.G. Walther: Schmücke dich, o liebe Seele
Dank- und Fürbittengebet
Treuer Gott,
wir danken dir für dein Wort, das uns stärkt und leitet,
das uns tröstet und ermuntert, das uns frei macht und trägt.
Wir bitten Dich für alle, die Hunger leiden,
denen das Nötigste zum Leben fehlt.
Lass sie Hilfe erfahren, konkret und handfest.
Wir bitten Dich für alle, die die Schuld zu Boden drückt,
die gefangen sind in Selbstvorwürfen und Selbstzerfleischung.
Hilf Du tragen.
Hilf du, dass die Schuld getragen und ertragen werden kann.
Wir bitten Dich für alle, die Böses erleiden:
für Gefolterte, für Vertriebene, für Opfer von Hass und Gewalt.
Lass das aufhören und sende deine Boten,
die hilfreich und liebevoll zur Seite stehen.
Wir bitten Dich für alle, die Böses tun.
Lass sie zur Besinnung kommen,
schenke Einsicht und Klarheit.
Wir bitten Dich für uns alle in diesen Zeiten:
Schenke Geduld und Verständnis, Liebe und Freundlichkeit,
einen Blick für das Kleine und Hilfreiche,
für ein Lächeln, für unerwartete Hilfe,
für das, was das Leben leuchten lässt.
– S T I L L E –
Unser Vater im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Lied 76, 1-2 Wohl denen, die da wandeln
1. Wohl denen, die da wandeln
vor Gott in Heiligkeit,
nach seinem Worte handeln
und leben allezeit.
Die recht von Herzen suchen
Gott und seiner Weisung folgen,
sind stets bei ihm in Gnad.
2. Von Herzensgrund ich spreche:
Dir sei Dank allezeit,
weil du mich lehrst die Rechte
deiner Gerechtigkeit.
Die Gnad auch ferner mir gewähr, zu halten dein Gebote;
verlass mich nimmermehr.
Segen
Gott segne dich und behüte dich.
Gott lasse ihr Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig
Gott hebe ihr Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.
G.F. Händel: Concerto