von Pfarrer Roland Durst, Lupsingen
Als Vorbereitung
Herzlich willkommen zu diesem besonderen Gottesdienst, wie wir ihn seit dem
22. März über die elektronischen Medien anbieten.
Wann immer Sie sich diese Einkehr gönnen, nehmen Sie sich ein wenig Zeit für die Vorbereitung:
• richten Sie es sich gemütlich ein, und zünden Sie eine Kerze an
• stellen Sie sich gerne ein Glas Wasser, einen Tee oder Kaffee in Reichweite
• denken Sie an jene Menschen, die Ihnen nahe sind, mit denen Sie aber wegen des Notstands nicht zusammen sein können
• die Texte der Lieder sowie sämtliche Zitate aus den biblischen Büchern sind nachstehend abgedruckt
Wir wünschen Ihnen eine wohltuende Feier.
Karin Engelbrecht (Homepage), Jörg Rudin (Orgel) und Roland Durst (Pfarrer)
Alfred Baum: All Morgen ist ganz frisch und neu
Gruss/Begrüssung
Es ist Sonntag.
Sonntag zwischen Auffahrt und Pfingsten, zwischen „zum Himmel hinauf“ und „vom Himmel herab“.
Beides ist nicht zu fassen – beides scheint nicht von dieser Welt zu sein.
Dein Göttliches wirke Wunder von ganz im Anfang bis nach dem Ende der Zeit;
Jenes der wundersamen Liebe, die in Jesus dem Christus die Erde mit dem Himmel unverbrüchlich miteinander verband;
Daran erinnere uns dein himmlischer Hauch, der es bis in unsere Herzen schafft
Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen. (Joh12, 32)
Amen.
Liebe Mitmenschen zu Hause
der heutige Sonntag trägt den Namen „Exaudi“ – das bedeutet höre, erhöre.
Es ist der Beginn des siebten Verses aus Psalm 27:
Höre, Ewige, mein lautes Rufen, neige dich zu mir! Antworte mir! (Ps27, 7)
Wer laut ruft, braucht dringend Hilfe, will auf seine Not aufmerksam machen.
Und das Rufen soll bitte gehört werden. Aber nicht nur das. Jemand soll sich dem rufenden Menschen zuwenden und wenn immer möglich die Not abwenden.
Diese notständigen Wochen lassen viele nach Hilfe rufen:
die alleinerziehende Mutter, die ihre Arbeit zu verlieren droht,
jene unzähligen Menschen, deren Kleinstbetriebe kaum mehr überlebensfähig sind oder all die vielen Grosseltern und Enkelkinder, die sich noch nie so lange nicht mehr treffen konnten.
Wer ruft, will gehört und beachtet sein.
Schon als Säuglinge tun wir genau dies: Wir rufen, wir schreien – und es naht Hilfe. Hilfe, die es hoffentlich und immer wieder einfach nur gut mit uns gemeint hat. Denn wir können nicht anders, als uns unserer Umgebung zuzumuten. Solches Vertrauen ist bedingungslos und unerschütterlich – anders kann der Lebensanfang nicht gelingen. Ein solches Wagnis ist gigantisch.
Und noch etwas Gewagtes wird uns später in der Predigt beschäftigen: Gott werde seine Weisungen in das Innere, ins Herz der Menschen schreiben.
So steht es im Buch Jeremia in der hebräischen Bibel. Nun weiss und spürt also jeder Mensch, was die Weisungen Gottes sind, denn wir alle tragen sie in uns.
Was das bedeuten kann, werden wir in der Predigt sehen.
Wie wir diesen Weisungen einen lebensfrohen Ausdruck verleihen können, das erfahren wir jetzt, wenn wir zusammen und doch jede und jeder für sich singen.
Lied 557, 1-3 All Morgen ist ganz frisch und neu
1. All Morgen ist ganz frisch und neu
Des Herren Gnad und grosse Treu;
Sie hat kein End den langen Tag,
drauf jeder sich verlassen mag.
2. Drum steht der Himmel Lichter voll,
dass man zum Leben sehen soll,
und es mög schön geordnet sein
zu Ehren Gott, dem Schöpfer dein.
3. So hat der Leib der Augen Licht,
dass er dadurch viel Guts ausricht
und seh auf Gott zu aller Frist
und merk, wie er so gnädig ist.
Gebet
Der Galiläer:
Zeuge göttlichen Lebens,
das auch in uns, den Sterblichen,
eine gute Vergänglichkeit lang
leibhaftig werden,
gesellig und öffnen will
zueinander.
(Kurt Marti, Die gesellige Gottheit, S. 48)
Wir,
die wir uns Christen und Christinnen nennen,
wurden zuallererst
als Menschen geboren –
sollen dies auch bleiben.
Wollen es liebend und gerne
immer wieder werden:
Mitmensch.
Den Nächsten wie uns selbst
zuliebe.
Das Kreuz mit uns Menschen
währt ewig und ein Tag.
Die Hoffnung senkrecht,
die Realität waagrecht;
die Absicht vollmundig,
die Tat schwächlich.
Mühen wir uns,
jede und jeder
am eigenen
Kreuz.
Wissend,
wir sind alle
Versehrte, Bedürftige.
Menschen eben.
Gott sei Dank.
Amen.
Lied 506, 1.2.5 O Heiliger Geist, o heiliger Gott
1. O Heiliger Geist, o heiliger Gott,
du Tröster wert in aller Not,
du bist gesandt vom Himmelsthron,
von Gott dem Vater und dem Sohn,
o Heiliger Deist, o heiliger Gott.
2. O Heiliger Geist, o heiliger Gott,
gib uns die Lieb zu deinem Wort;
zünd an in uns der Liebe Flamm,
darnach zu lieben allesamt,
o Heiliger Geist, o heiliger Gott.
5. O Heiliger Geist, o heiliger Gott,
verlass uns nicht in Not und Tod.
Wir sagen dir Lob, Ehr und Dank,
allzeit und unser Leben Lang,
o Heiliger Geist, o heiliger Gott.
Predigt zu Jer31, 31-34 – Expansion
Die Predigt können Sie sich hier auch anhören:
Sie haben bestimmt auch schon davon gelesen oder gehört: Noch nie wurde derart radikal auf eine Erkrankung reagiert, wie dies in den letzten Wochen gegenüber dem hinlänglich bekannten Virus Covid19 getan wurde.
Allein schon die Mengen an Geld, die für den Wiederaufbau der darbenden Wirtschaft in unzähligen Ländern zur Verfügung gestellt werden, übersteigt mein Vorstellungsvermögen bei weitem. Und wenn ich weiter daran denke, wie viele Menschen durch das Virus oder an den Folgen des verordneten Notstands in existenzielle Nöte gerieten, dann wird mir übel.
Leise zwar, aber dennoch gut zu hören, sind Stimmen zu vernehmen, die in solch schwierigen Zeiten dazu aufrufen, über unsere Art zu leben nachzudenken. Denn unsere Art zu leben sei eine Gefahr für die Art, w i e wir leben. Diese Stimmen machen darauf aufmerksam darüber nachzudenken, was in unserem Leben wichtig, lebenswichtig, sei.
31 Gebt Acht, die Zeit wird kommen, – so Gottes Spruch – da will ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schliessen. 32 Dieser Bund gleicht nicht dem Bund, den ich mit ihren Eltern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie an ihrer Hand nahm, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen: diesen meinen Bund konnten sie brechen, obwohl ich über sie geboten habe – so Gottes Spruch. 33 Sondern so wird der Bund aussehen, den ich mit dem Haus Israel nach jener Zeit schliessen will: – so Gottes Spruch – Ich werde meine Weisung in ihr Inneres legen, in ihr Herz werde ich sie schreiben. Ich werde ihnen Gott und sie werden mir Volk sein. 34 Sie werden einander nicht mehr belehren und weder zu den Mitmenschen noch unter den Geschwistern sagen: Lerne Gott kennen! Denn sie alle werden mich kennen, alle von Klein bis Gross – so Gottes Spruch. – Denn ich werde ihre Vergehen verzeihen und an ihre Unrechtstaten nicht mehr denken. (Jer31, 31-34)
Amen.
Liebe Stubengemeinde
Diese wenigen Verse aus dem Jeremiabuch wurden in der Vergangenheit viel zu oft in fataler Weise fehlgedeutet – leider bis in die Gegenwart hinein.
Es ist k e i n neuer Bund zwischen Gott und dem Haus Israel – solches ist nicht nötig, weil der bisherige Bund weiterhin gültig ist und es auch bleiben wird. Das Neue an diesem Bund ist, dass er fortan nicht mehr gebrochen werden kann. Und weshalb kann er nicht mehr gebrochen werden? Weil, so Jeremia, die Weisungen Gottes – und damit ist die Tora gemeint – ins Innere, ins Herz der Menschen geschrieben werden.
Damit wird aus meiner Sicht der Mensch einerseits befähigt, auf sich zu hören und aus dieser Achtsamkeit heraus sein Leben zu gestalten. Auf der anderen Seite wird uns Menschen die Verantwortung dafür übertragen, was wir tun oder unterlassen. Die Ver-Antwort-ung ist so verstanden auch die einzige, adäquate Entgegnung auf diese Befähigung: Dir, Mensch, ist es ins Herz gelegt, was es zu tun und zu lassen gilt. Höre auf dein Herz und es wird dir den Weg weisen.
Das hebräische Wort „leb“ bedeutet nicht nur „das Innere“ oder „das Herz“. Wie so oft in dieser faszinierenden Sprache hängt an einem einzigen Begriff eine vielschichtige Bedeutungswelt. Das Herz ist nach jüdischem Verständnis der Sitz der Lebenskraft und das Zentrum des geistig-seelischen Lebens. Auch unsere Empfindungen, Affekte und inneren Regungen haben in unserem Herzen ihren Wirkmittelpunkt. Auf einen kurzen Nenner gebracht: In unserem Herzen ist die Liebe eingeschrieben worden.
Auch mit dem Wort des „Inneren“, das auch als „Mitte“verstanden werden kann, verbinden sich vielfältige Deutungen. Diese Mitte suchen wir Menschen auf sehr unterschiedliche Weisen, sei es beim Meditieren, beim Spazieren in der Natur oder beim Hören von Musik. Aus diesem Inneren, aus dieser Mitte heraus strömt jene Kraft, die uns Ruhe und Geborgenheit zu geben vermag, um mit der uns zugemuteten Fülle des Lebens klar zu kommen.
So wie die Dinge in diesen Wochen liegen, wird uns allen Vieles zugemutet. Einigen mitunter viel mehr, als sie zu tragen in der Lage sind. Das ist bedrückend zu sehen oder zu vernehmen, weil damit auch gleich ein Gefühl der Ohnmacht verbunden ist: Die schiere Menge an notleidenden Menschen ist erschlagend. Und nicht nur seit der Corona-Pandemie. Denn vor dieser weltweiten Krise starben jede Minute mehrere Menschen, weil sie nicht genug zu Essen und zu Trinken haben. Aber daran scheinen wir uns gewöhnt zu haben. Leider.
Durch die beinahe unmittelbare Schilderung von Schicksalen in den diversen Massenmedien, wurde mit der Coronakrise die Not in unsere Nähe gerückt. Und als bei uns beinahe alles stillstand, erkannten wir, es (be)trifft auch uns.
Nun soll mehr oder weniger langsam, hoffentlich aber vor allem sicher, jener Alltag wieder erreicht werden, den wir vor der Krise kannten und schätzten.
Und genau hier soll uns dieser Jeremiatext dazu einladen, nachzudenken. Nachzudenken und zuzuhören. Was sollte an meinem Alltag verändert werden, dass er das, was für mein Leben wichtig ist, besser zur Geltung bringt? Vielleicht braucht es mehr Ruhe, mehr Gelassenheit oder ein Stück mehr Behutsamkeit im Umgang mit mir selbst und mit den Menschen, die mir nahestehen.
Vielleicht lohnt es sich, darüber nachzudenken, was ich konsumiere und wozu? Und ob ich mich nicht lieber vom Wert einer Ware oder einer Dienstleistung leiten lasse, als lediglich von deren Preis.
Wenn die Weisung des Göttlichen in unser Inneres, in unser Herz geschrieben wird, dann ist damit wohl das Kostbarste gemeint, was wir kennen: die Liebe.
In unserem Herzen soll diese Liebesweisung den Ort ihrer Wirkungsentfaltung finden. Und weil alle Menschen ein Inneres, ein Herz haben, kommt diese Verlagerung der Weisung nach innen einer Expansion gleich:
Alle können spüren und erkennen, was der Weisung der Liebe dienlich ist.
Etwa jene Pflegenden und Ärzt:innen, die sich bis zur Erschöpfung dafür einsetzen, das Leben von schwer Erkrankten zu bewahren.
Oder jene unermüdlich Helfenden, die dafür sorgen, die Not der Bedürftigen an lebenswichtigen Dingen zu lindern.
Vor allen Dingen sind es aber jene Menschen aus der Nachbarschaft, die mit einem Blümchen, ein paar Worten auf einer Karte, einem Stück selbst gemachtem Kuchen oder mit einem Anruf ein Gesicht zum Strahlen zu bringen vermögen.
Es ist so unglaublich wenig und zugleich zu unbeschreiblich grossartig, was derlei Zeichen der Verbundenheit zu bewirken vermögen.
Diese Expansion der Liebesfähigkeit von uns Menschen gegenüber anderen Menschen und allen Lebewesen ist es, die wir liebend gerne vorantreiben möchten.
Dann besteht die Chance, dass sich Grundlegendes zu verändern beginnt – in uns selbst und in der Art und Weise, wie wir mit unseren Nächsten umgehen.
34 Sie werden einander nicht mehr belehren und weder zu den Mitmenschen noch unter den Geschwistern sagen: Lerne Gott [- der die Liebe ist -] kennen! Denn sie alle werden mich kennen, alle von Klein bis Groß – so Gottes Spruch. (Jer31, 34a)
Amen.
Keith Reid: A Whiter Shade of Pale
Fürbitten und Unser Vater
Du Göttliches,
die alte Mutter Erde gebiert immerfort neues Leben, an ungezählten Orten, auf endlos vielfältige Weisen und in immer neu staunenswerter Pracht.
Bitte lass uns Sorge tragen zu diesem einen Erdenrund – es ist ein einmaliges Geschenk und die Grundlage für alles, was lebt. Lass es uns behutsam an unsere Urenkel weitergeben.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
wer krank ist oder an den Folgen eines Unfalls leidet, weiss was es heisst, wenn die selbstverständlichen Dinge schier unerreichbar werden.
Bitte schenk allen Kranken und Verletzten grosse Geduld, ihre Situation auszuhalten und beflügelnde Freude auch an kleinen Genesungsfortschritten – und uns Gesunden Demut und Dankbarkeit, weil uns nichts fehlt.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
noch immer werden in viel zu vielen Kulturen auf unserem Erdenrund Frauen von Männern misshandelt, unterdrückt, ausgenützt und von Bildung ferngehalten.
Bitte stärke du diese namenlosen Frauen in ihrem Widerstand und in ihrer Rebellion gegen derart menschenverachtende Machenschaften.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
In die Stille des Innehaltens lassen wir lautlos unser Herz sprechen wovon es weint oder jauchzt
Stille…
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Gemeinsam beten wir:
Unser Vater im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Lied 342, 1-3 Ach bleib mit deiner Gnade
1. Ach bleib mit deiner Gnade
Bei uns, Herr Jesu Christ,
dass uns hinfort nicht schade
des bösen Feindes List.
2. Ach bleib mit deinem Worte
Bei uns, Erlöser wert,
dass uns sei hier und dorte
dein Güt und Heil beschert.
3. Ach bleib mit deinem Glanze
Bei uns, du wertes Licht;
Dein Wahrheit uns umschanze,
damit wir irren nicht.
Segen
Du Göttliches,
segne uns und behüte uns,
werde uns Freude wo Trübsal ist,
schenk uns Zärtlichkeit wo Härte herrscht,
lass Worte öffnen was Fäuste verwehren,
stärke was schwach geworden ist.
Gottes Segen sei mit uns
an diesem Sonntag und weit darüber hinaus.
Lasst uns in seinem Frieden gehen
und diesen Frieden freudvoll säen.
Amen.
Michael Schütz: Most Beautiful Jesus