von Pfarrer Roland Durst, Lupsingen
Als Vorbereitung
Herzlich willkommen zu diesem besonderen Gottesdienst, wie wir ihn seit dem
22. März über die elektronischen Medien anbieten.
Wann immer Sie sich diese Einkehr gönnen, nehmen Sie sich ein wenig Zeit für die Vorbereitung:
• richten Sie es sich gemütlich ein, und zünden Sie eine Kerze an
• stellen Sie sich gerne ein Glas Wasser, einen Tee oder Kaffee in Reichweite
• denken Sie an jene Menschen, die Ihnen nahe sind, mit denen Sie aber wegen des Notstands nicht zusammen sein können
• die Texte der Lieder sowie sämtliche Zitate aus den biblischen Büchern sind nachstehend abgedruckt
Wir wünschen Ihnen eine wohltuende Feier.
Karin Engelbrecht (Homepage), Jörg Rudin (Orgel) und Roland Durst (Pfarrer)
Henry Purcell: Trumpet Tune
Gruss/Begrüssung
Erster Sonntag im August dieses ganz und gar besonderen Jahres.
Hitze und Trockenheit machen Mensch und Natur zu schaffen.
Und das Virus hält uns noch immer in Atem.
Ob ein Jahr oder tausend – in der Dimension des göttlichen Wirkens ist derlei unerheblich.
Deine Liebe, Jesus der Christus, möge es immer wieder neu bis in unser Herz schaffen.
Dabei helfe uns der himmlische Hauch, jene spürbare Kraft mit Tiefenwirkung.
Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. (Eph5, 8b.9)
Amen.
Liebe Hausgemeinde
Zum hoffentlich letzten Mal für lange Zeit wird dieser Gottesdienst digital verbreitet, zum selber Lesen oder Mithören.
Ab kommendem Sonntag soll es dann wieder so sein, wie schon so lange nicht mehr:
Die Gottesdienste finden in „echt“ und in der jeweiligen Kirche statt.
Doch es wird nicht so sein wie einst, vor der Corona-Pandemie. Auch wenn wir uns noch so sehr darum bemühen.
Auch der diesjährige Nationalfeiertag war ein ganz und gar anderer als sonst: ohne riesige Feuerwerke und folglich auch möglichst ohne grosse Menschen-
ansammlungen.
Der heutige, letzte Digitalgottesdienst rückt das Licht ins Zentrum. Und bekanntlich ist da, wo viel Licht ist, auch viel Schatten oder Dunkelheit. Beides gehört zusammen, denn auch ein Tag ist erst dann ein solcher, wenn sich das Tageslicht und die Dunkelheit der Nacht abgewechselt haben.
Dass es Helles und Dunkles braucht, damit ein Ganzes dadurch entsteht, wissen wir auch von uns selbst: Wir zeigen uns gerne von der sonnigen Seite, haben aber aus vielen Erfahrungen gelernt, dass wir immer wieder in düstere Ecken unseres Selbst geraten. Erst beides zusammen macht uns zu Menschen, zu menschlichen und nicht perfekten.
Eine besondere Form der Dunkelheit stellt die Blindheit dar. Dieser wollen wir uns aus verschiedenen Blickwinkeln annähern. Es wäre schön, wenn so die Sensibilität für die Vielschichtigkeit von Blindheit gefördert werden könnte.
Und jetzt singen wir zusammen und doch jede und jeder für sich von der finsteren Nacht, die nun vorüber ist.
Lied 577, 1-3 Nun ist vorbei
1. Nun ist vorbei die finst’re Nacht.
Die liebe Sonne leucht‘ und lacht
und lässt uns fröhlich leben.
So wollen wir uns diesem Tag
und allem, was er bringen mag,
von Herzen nun ergeben.
2. Wir woll’n uns wie das liebe Licht,
so unbekümmert, warm und schlicht,
dem Lebenstage schenken.
Wir sollen Gottes Strahlen sein,
Gott will durch uns sich tief hinein
in seine Erde senken.
3. Gott schenkt sich uns in seiner Welt,
hat uns in ihr zum Dienst bestellt,
dass wir zu Lob ihm leben.
Das ist, du Mensch, dein’s Lebens Sinn,
dass du dich wiederum gibst hin
dem, der sich dir gegeben.
Gebet
Du Göttliches,
wo soll das hinführen?
Die Mächtigen dieser Welt scheinen nicht zu sehen, was wesentlich ist im Leben;
sie sind taub für das Wehklagen der Armen,
kümmern sich nicht um das Leid der Bedürftigen,
kennen weder Not noch Hunger noch Drangsal.
Ihr Interesse gilt der Entfaltung und Erhaltung ihrer Macht.
Du Göttliches,
führe uns dorthin, wo die Hände leer sind und der Alltag voller Sorgen ist;
zeig uns die angsterfüllten Kinderaugen und die verzweifelten Mütter, denen sinnlose Kriege ihre Kinder entreissen;
erinnere uns daran, dass Unrecht stets neues Unrecht gebiert und jeder Krieg stets neue Konflikte bewirkt.
Eines sollen wir tun und darin nicht nachlassen:
Einander zu lieben, wie wir uns selber lieben.
Lass es uns beginnen.
Heute noch.
Und morgen wieder.
Amen.
Lied 795, 1.3.4 Sonne der Gerechtigkeit
1. Sonne der Gerechtigkeit,
gehe auf zu unsrer Zeit;
brich in deiner Kirche an,
dass die Welt es sehen kann.
3. Schaue die Zertrennung an,
der sonst niemand wehren kann;
sammle, grosser Menschenhirt,
alles, was sich hat verirrt.
4. Tu der Völker Türen auf;
deines Himmelreiches Lauf
hemme keine List noch Macht.
Schaffe Licht in dunkler Nacht.
Lesung
1 Das Wort, das Jesaja, Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem schaute. 2 Es wird geschehen am Ende der Tage: Fest stehen wird der Berg des Hauses Gottes als Gipfel der Berge und sich erheben über die Hügel, und zu ihm werden alle fremden Völker strömen. 3 Und viele Völker werden gehen und sagen: „Auf, lasst uns hinaufziehen zum Berg Gottes, zum Haus der Gottheit Jakobs, damit sie uns lehre ihre Wege und wir gehen auf ihren Pfaden, denn von Zion wird Weisung ausgehen und das Wort Gottes von Jerusalem.“ 4 Und Gott wird Recht sprechen zwischen den fremden Völkern und richten zwischen vielen Völkern. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Lanzen zu Winzermessern umschmieden, kein fremdes Volk wird mehr gegen ein anderes sein Schwert erheben, und niemand wird mehr Kriegshandwerk lernen. 5 Haus Jakobs: Auf und lasst uns im Licht Gottes gehen! (Jes2, 1-5)
Amen.
Lueget vo Bärg zum Schacher Sepp
Predigt zu Joh9, 1-7 – Blindheit
Die Lesung aus dem Jesajabuch spricht vom Licht Gottes. In ihm soll das Haus Jakob, also das Volk Israel, gehen – und gerne auch wir. Und in diesem Licht würden Schwerter zu Pflugscharen und Lanzen zu Winzermessern umgeschmiedet. Aus Kriegsmaterial wird Handwerkszeug. Eine verheissungsvolle Vision, die schon vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren die Menschen faszinierte. Denn auch damals tobten schreckliche Kriege, die Not und Elend über unzählige Familien brachten.
Eine ebenso berühmte Passage aus dem Johannesevangelium ist als Predigttext für den heutigen Sonntag vorgesehen. Hier dreht sich alles um das fehlende Licht. Genauer: um das fehlende Augenlicht.
1 Im Vorübergehen sah er einen Menschen, der von Geburt an blind war. 2 Und seine Jüngerinnen und Jünger fragten ihn und sagten: „Rabbi, wer hat Unrecht getan: Dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“ 3 Jesus antwortete: „Weder hat dieser Unrecht getan noch seine Eltern, sondern die Werke Gottes sollen an ihm sichtbar werden. 4 Wir müssen die Werke Gottes tun, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, wo niemand wirken kann. 5 Wenn ich in der Welt bin, bin ich Licht der Welt.“ 6 Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde und machte einen Brei aus der Spucke und strich ihm den Brei auf die Augen 7 und sagte ihm: „Geh, wasche dich im Teich Schiloach!“ – was übersetzt „Gesandter“ heisst. Er ging also weg und wusch sich und kam sehend zurück. (Joh9, 1-7)
Amen.
Liebe Ferngemeinde
Beide Bilder – jenes, das aus Schwertern Pflugscharen werden lässt wie auch jenes, das einem blinden Menschen das Sehen ermöglicht – sind wunderbar und berühren wohl leicht jene Saite in unserem Herzen, die doch so gerne das Unmögliche möglich werden lassen möchte. Wenn es doch nur so einfach wäre mit dem Frieden und den sehenden Augen.
Doch gerade bei der Geschichte des Blinden liessen sich ganz viele Fragen stellen: Was hat die Blindheit dieses Menschen mit dem Verhalten seiner Eltern zu tun? Ist Blindheit eine Strafe Gottes? Und falls dem so wäre, wofür? Und wäre es gerecht, dass ein Kind für Verfehlungen seiner Eltern quasi die Zeche zu bezahlen hat?
Zwar klingen derartige Fragen für uns Menschen des 21. Jahrhunderts einigermassen fremd in unseren aufgeklärten Ohren, aber so ganz und gar abgestreift haben wir derartige Denkweisen nicht wirklich. Oder wie ist es denn zu erklären, dass Menschen mit einer Behinderung noch immer auf so unfassbar vielen Ebenen benachteiligt werden? Allein schon das Wort „Behinderung“ macht deutlich, dass es sich hier um ein Hindernis, um eine Beeinträchtigung handeln muss, die es zu beseitigen oder in irgendeiner Form zu kompensieren gilt. Eine derartige Vorstellung geht davon aus, w i e ein Mensch zu sein hat: nämlich perfekt. Und das bedeutet: ohne Fehl und Makel soll er sein. Wir alle wissen es klar und deutlich, dass es die Perfektion nicht gibt. Dennoch streben wir immer mal wieder danach – der Schreibende inklusive. Vertauscht Herr Oberhänsli gewisse Buchstaben, dann heisst das Legasthenie und braucht eine Therapie. Kann Frau Niederberger extrem schnell und auch mit grossen Zahlen Kopfrechnen, nennen wir dies Hochbegabung und wird gefördert. Warum gelingt es uns nicht, beide Phänomene als Begabungen anzusehen? Im Wort „Begabung“ ist enthalten, was es ist: eine Gabe. Ob diese nun bedauert oder bewundert werde, liegt einzig und alleine daran, wie die Gabe betrachtet wird. Ich kenne mehrere Familien, die in ihren Reihen einen Menschen mit einer Behinderung haben – aber keine dieser Familien würde den betreffenden Menschen anders wollen. Er gehört in seiner Art dazu, wie alle anderen auch. Also geht es darum, wie wir sogenannt „normale“ Menschen derlei Gaben betrachten. Und da kommt der Blinde in der johanneischen Geschichte wieder in den Fokus unseres Nachdenkens.
Mit Blindheit sind wir alle geschlagen – oder gesegnet, je nach Betrachtungsweise und Sachlage. Manchmal wollen wir nicht sehen und bisweilen können wir es nicht. Immer mal wieder übersehen wir etwas oder schauen einfach weg. Ihnen und mir ergeht das so, aber auch uns als Nation, als Schweiz.
Noch bis weit in die 1980-er Jahre wurde ein eidgenössisches Gesetz angewandt, das Menschen, die in gewisser Hinsicht nicht den Normen entsprachen, verwahrte. Derlei wurde „fürsorgerische Zwangsmassnahmen“ genannt. Viel zu lange wurde weggeschaut.
Jüdische Menschen brachten ihr Geld auf Schweizer Banken, um es vor den Nazi-Schergen in Sicherheit zu bringen. Darunter hatte es viele nachrichtenlose Konten, auf denen beträchtliche Summen lagerten – und die die Banken in aller Stille ruhen liessen. Auch hier gilt, leider: viel zu lange wurden die Augen geschlossen gehalten.
In viel zu vielen trauten Schweizer Familien wird mit subtiler oder offener Gewalt gedroht. Gleiches gilt auch für Firmen oder Institutionen, zu denen auch die evangelisch-reformierte Kirche gehört. Wann gestehen wir uns ein, dass auch hier dringend hingeschaut werden muss?
Wenn in der Schweiz der markanteste Rückgang an Vögeln unterschiedlichster Art in ganz Europa festgestellt wird, dann hat das mit einem Mangel an Insekten, an biologischer Vielfalt und mit Schwierigkeiten der Landwirtschaft und unseren Ansprüchen als Konsument:innen zu tun. Wie lange wird es dauern, bis uns auch hier die Augen aufgehen werden?
Jesus sagte zu jenem blinden Menschen: „Geh, wasche dich im Teich Schiloach!“ Gesagt, getan. Und der Blinde wurde ein Sehender.
Sich zu waschen bedeutet, das, was für Verunreinigung sorgt, zu entfernen. Aber es meint auch, dass etwas getan werden muss, damit dieser Schmutz beseitigt werden kann. Aus meiner Sicht zeigt diese Heilungsgeschichte so Banales wie Treffendes: Wer sich seiner schwierigen und unbekannten Flecken annehmen will, muss sich diese überhaupt erst ins Bewusstsein rücken. Das ist mitunter äusserst schmerzhaft und heikel. In der Heilungsgeschichte des Blinden entspricht dieser Teil dem Weg hin zum Teich Schiloach. Ist dies geschafft, dann geht es darum, das Erkannte zu verstehen und einzusehen, wie es dazu kam. Auf diese Weise sehend geworden, ist der Blick auf die eigene Person und meine Umgebung ein ganz und gar anderer geworden.
So, wie es sich mit persönlichen Blindheiten verhält, so steht es nach meinem Dafürhalten auch mit denen unseres Landes und seiner Geschichte. Es braucht zuerst die Anerkennung der eigenen Geschichte und der darin begangenen Ungerechtigkeiten. Sind diese Verfehlungen politisch und gesellschaftlich anerkannt, dann kann die Reinigung, die Waschung beginnen: mit einer aufrechten Entschuldigung und der Anerkennung des widerfahrenen Übels. Letzteres erfolgt in der Regel in Form von Geld.
Es stünde uns hier in diesem relativ kleinen aber ungemein reichen Land sehr gut an, wenn wir aus der jüngeren Geschichte lernen würden. Machen wir ausnahmsweise die Augen auf in Bezug auf das, was da noch kommen wird – bevor wir einmal mehr auf unangenehme Weise dazu gedrängt werden. Uns stehen alle Instrumente einer funktionierenden Demokratie zur Verfügung. Nutzen wir sie im Interesse unserer Grosskinder.
Wir sehen uns im Teich von Schiloach!
Amen.
Dr Guggisberger Bärnhard Matter
Fürbitten und Unser Vater
Du Göttliches,
viel zu viele Menschen setzen Heimat mit Haben gleich: ein Haus, eine Flagge und vor allem Rechte zu haben.
Bitte schenk uns die Einsicht, dass Heimat ganz wesentlich mit Begegnungen, Geborgenheit und Geschichten zu tun hat – mit Menschen also.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
die Vielfalt, wie wir Menschen uns gegenseitig immer und immer wieder das Leben schwer machen, kennt schier keine Grenzen.
Bitte stärke unseren Mut, solche scheinbaren Gesetzmässigkeiten mit viel Phantasie und Freude zu durchbrechen.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
Pflanzen und Tiere haben es mitunter schwer mit uns Menschen – gegen unser Tun und Unterlassen scheint kein Kraut gewachsen zu sein.
Bitte lass uns nicht vergessen, dass uns diese Erde in der Verantwortung gegenüber unseren Enkelkindern zu treuen, behutsamen Händen überlassen wurde.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
In die Stille des Innehaltens lassen wir lautlos unser Herz sprechen wovon es weint oder jauchzt
Stille …
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Gemeinsam beten wir:
Unser Vater im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Lied 348 Die Gnade unsres Herrn Jesus Christus
1. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit uns allen, mit uns allen.
Amen.
Segen
Der Herr segne dich und behüte dich,
denn in Gottes Obhut bist du angenommen und
geliebt;
das Göttliche lasse sein Angesicht leuchten über dir
und sei dir gnädig,
so kannst du dir und deinem Gegenüber Milde
walten lassen;
die Liebe erhebe ihr Angesicht auf dich
und schenke dir Frieden, Freude und ein wohltuendes Lachen,
in ihnen spiegelt sich der Himmel auf Erden.
Amen.
Oesere Art