von Pfarrer Roland Durst, Lupsingen
Als Vorbereitung
Herzlich willkommen zu diesem besonderen Gottesdienst, wie wir ihn seit dem 22. März über die elektronischen Medien anbieten.
Wann immer Sie sich diese Einkehr gönnen, nehmen Sie sich ein wenig Zeit für die Vorbereitung:
• richten Sie es sich gemütlich ein, und zünden Sie eine Kerze an
• stellen Sie sich gerne ein Glas Wasser, einen Tee oder Kaffee in Reichweite
• denken Sie an jene Menschen, die Ihnen nahe sind, mit denen Sie aber wegen des Notstands nicht zusammen sein können
• die Texte der Lieder sowie sämtliche Zitate aus den biblischen Büchern sind nachstehend abgedruckt
Wir wünschen Ihnen eine wohltuende Feier.
Karin Engelbrecht (Homepage), Jörg Rudin (Orgel) und Roland Durst (Pfarrer)
J.S. Bach: Toccata in E-Dur
Gruss/Begrüssung
Wir feiern diesen Ostergottesdienst im Namen des Göttlichen, jener Macht die im Anfang war und alles vollenden wird;
Im Namen Jesus dem Christus, der bedingungslos liebte, elendiglich starb und wundersam auferweckt wurde,
und im Namen jener gehauchten Kraft, die Herzen zu erweichen vermag.
Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und er sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! (Lk24, 36)
Amen.
Friede sei mit euch!
Was wir Menschen bislang nicht geschafft haben, vermag Covid19 jetzt zu bewirken:
In immer mehr Kriegsgebieten schweigen die Waffen.
Wenigstens für ein paar wenige Wochen.
Das ist kaum zu fassen!
Die sinnlose Zerstörung soll ausgesetzt werden, damit die Verbreitung des Coronavirus unterbunden werden kann.
Nicht aus Mitmenschlichkeit.
Und schon gar nicht aus Barmherzigkeit oder gar Einsicht.
Das ist kaum zu fassen!
Hier auf dem alten Kontinent wird der Zusammenhalt unter den Staaten auf eine existenzielle Probe gestellt. Nicht etwa deshalb, weil das Leiden der Menschen an den Folgen von Corona so unermesslich wäre.
Vielmehr darum, weil der wirtschaftliche Schaden, den dieses 500 Nanometer kleine Virus (1 Nanometer = 0,000 001 Millimeter) daran ist, anzurichten, immens sein wird.
Es sind gigantische Unterstützungsprogramme aufgegleist, die tausende von Milliarden Euros und Dollars umfangen.
Hier liegen die Sorgen und Ängste der Mächtigen verborgen: dass die Weltwirtschaft zu grossen Schaden nähme.
Das ist doch kaum zu fassen!
Und dann ist heute jener dritte Tag, an dem Jesus der Christus auferweckt wurde.
An Ostersonntag erinnern wir uns daran, dass die Grabhöhle, in die Jesus hineingelegt wurde, leer war.
Mit ihm geschah etwas, was zuvor noch niemandem widerfahren war:
Jesus wurde auferweckt und ist auferstanden.
Auch das ist kaum zu fassen.
Vielleicht aber zu glauben.
Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes (…). (Offb1, 18a)
Amen.
Lied 480, 1-4 O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit
1. O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit,
da Jesus lebt ohn alles leid
Er ist erstanden von dem Tod;
wir sind erlöst aus aller Not.
O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit.
2. O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit,
da wir von Sünden sind befreit.
Getilget ist nun unsre Schuld;
Wir sind gerecht aus Gottes Huld.
O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit.
3. O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit,
Der Tod ist überwunden heut.
Es darf uns nicht mehr vor ihm graun;
Auf Christi Sieg wir nun vertraun.
O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit.
4. O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit.
Erhalt uns, Jesu, diese Freud,
zu sagen hier zu aller Stund
und dort einmal mit frohem Mund:
O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit.
Gebet:
Jesus, der du der Christus bist,
die dunkelste, äusserste Verlassenheit von Karfreitag ist durchlitten,
Blut und Schweiss und Tränen des Gartens Gethsemane wurden abgewischt,
der verräterische Kuss aus Liebe und Verzweiflung ist getrocknet, und
der Hahn krähte schon mehrfach in die Stille dieses Morgens.
Das Deine hast du vollbracht,
uns als Zuspruch und Verheissung.
Gott,
du bist Quelle des Lebens und
Schöpferin der Liebe.
Du lässt uns die Obhut deiner Gnade und deines Trostes erfahren
in der Freude am Verbindenden trotz sozialer Distanz,
im Staunen über Knospen an dürrem Holz.
Du Göttliches,
du stehst für Leben,
für die Fülle in unserer Lebensspanne
und das unvorstellbare Danach.
Du wirkst den Tod des Todes,
uns zur Freude,
uns zur Freiheit.
Es ist Ostern!
Hallelujah!
Amen.
Lied 487, 1-3 Das könnte den Herren der Welt ja so passen
1. Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn erst nach dem Tode Gerechtigkeit käme;
erst dann die Herrschaft der Herren,
erst dann die Knechtschaft der Knechte
vergessen wäre für immer,
vergessen wäre für immer.
2. Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn hier auf der Erde stets alles so bliebe;
wenn hier die Herrschaft der Herren,
wenn hier die Knechtschaft der Knechte,
so weiterginge wie immer,
so weiterginge wie immer.
3. Doch ist der Befreier vom Tod auferstanden,
ist schon auferstanden und ruft uns jetzt alle
zur Auferstehung auf Erden,
zum Aufstand gegen die Herren,
die mit dem Tod uns regieren,
die mit dem Tod uns regieren.
Predigt zu 1Kor15, 19-28 – Nach- und voraus denken – aufstehen – handeln
Es ist so eine Sache mit der Auferstehung Jesu. Was damals in jenem Höhlengrab geschehen sein mag, ist jenseits von allem, was wir Menschen uns überhaupt vorstellen können.
Und dann sollen wir Pfarrpersonen, die wir ja alle ganz und gar Menschen sind, über dieses unglaubliche Ereignis auch noch predigen.
Und zwar so, dass es glaubhaft ist.
Das heisst für mich; Ich kann voll und ganz hinter dem stehen, was ich hier schreibe.
Gerade deshalb, weil ich ein Mensch bin, sind mir Aussagen über jene Sphäre, die uns Menschen entzogen ist, nicht möglich.
Es sei denn, ich berichte über m e i n e Bilder und Fantasien rund um die Auferstehung.
Aber es geht hier nicht um meine Vorstellungen, sondern darum, welche Relevanz das Mysterium von Ostern für uns Menschen an diesem Sonntag, den 12. April 2020, haben kann.
Im 1. Brief an die Gemeinde in Korinth weist Paulus auf einige wichtige Bedeutungsfelder hin:
19 Wenn wir nur in der sichtbaren Lebenswirklichkeit auf Christus vertrauen, sind wir die armseligsten unter allen Menschen. 20 Jetzt aber ist der Messias von den Toten aufgeweckt worden – als Beginn des Lebens für die Verstorbenen. 21 Denn da durch einen Menschen der Tod kam, bringt auch ein Mensch die Auferstehung der Toten. 22 Wie wir nämlich alle sterben, weil wir wie Adam sind, so werden wir auch alle in Christus lebendig gemacht werden, 23 alle aber, wie Gott es ihnen zumisst. Christus ist der Beginn; alle, die zu Christus gehören, werden in seiner Gegenwart lebendig. 24 Die Vollendung geschieht, wenn der Messias seine Macht Gott, seinem Ursprung, übergibt. Gott beendet damit alle Herrschaft, alle Gewalt und alle Macht. 25 Der Messias soll nämlich Macht ausüben, bis Gott ihm alle diese feindlichen Gewalten unter seine Füsse wirft. 26 Der letzte Feind, der seine Gewalt verliert, ist der Tod. 27 Alles hat Gott ja unter die Füsse des Messias getan. Wenn es aber heisst, alles wird entmachtet, so ist klar, dass gemeint ist: ausser Gott, denn Gott hat Christus alles übergeben. 28 Wenn dem Messias alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst alle Macht Gott übergeben, da Gott dem Messias alle Mächte unterwarf. So wird Gott alles in allem sein. (1Kor15, 19-28)
Liebe Mitmenschen in den jeweiligen Stuben zu Hause
Seit nunmehr vier Wochen erleben wir eine Phase in der Menschheitsgeschichte, die ihresgleichen sucht:
Noch nie haben wir Menschen auf eine Bedrohung auf so fundamentale, drastische Weise reagiert, wie auf jene durch Covid19.
Die Wirtschaft wurde in einen Tiefschlaf versetzt, die reale Distanz zwischen uns Menschen wurde auf mindestens zwei Meter vergrössert, und grundlegende politische Mechanismen werden ausser Kraft gesetzt.
Wir befinden uns im Notstand.
Und dieser versetzt unzählige Menschen in grösste Nöte.
Familienbande werden bis aufs äusserste strapaziert, Kleinstunternehmen stehen zu tausenden vor dem Konkurs, Hundertausende stehen plötzlich ohne Arbeit und Einkommen da, und die Bedrohung durch gewaltbereite Männer im ach so trauten Heim nimmt beunruhigende Ausmasse an.
Und dann soll heute Ostern gefeiert werden.
Irgendwie kommt dieses Fest der Auferstehung ein paar Wochen zu früh.
Denn wir befinden uns noch Mitten in dieser notständigen Zeit mit all ihren Verordnungen, Einschränkungen und Verunsicherungen.
Sie verunsichert, ja ängstigt bisweilen sogar, weil wir einerseits nicht wissen, wann genau sie vorüber sein wird – und weil wir andererseits keinerlei Erfahrung im Umgang mit solchen Krisen haben.
Seit knapp 75 Jahren ist die schrecklichste aller bisher erlittenen Katastrophen in unseren Breitengraden ausgeblieben: der Krieg.
Und vor 100 Jahren wütete die sogenannte spanische Grippe auf dem alten Kontinent, die Millionen Menschen den Tod brachte.
Wir blieben also über Jahrzehnte von Verheerendem verschont und gewöhnten uns an dieses Privileg, das bis zu einem gewissen Grad auch auf eigene Verdienste zurückgeführt werden darf.
Doch jetzt sind wir mitten drin – und nicht aussen vor. Die ganze Welt wird von dieser neuen Variante der Coronaviren heimgesucht. Wir sitzen quasi alle im selben Weltenboot. Die Globalisierung zeigt in diesen Wochen ihre hässliche, beängstigende Fratze ohne Ansehen von Reichtum, Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht.
Das, was uns allen so vertraut und normal vorgekommen ist, liegt nun darnieder.
Und gerade deshalb ist es vielleicht genau die richtige, passende Zeit, um über Auferstehung zu sinnieren.
Soll sich nach Corona das Leben auf unserem grandiosen Planeten Erde zum Besseren hin verändern, dann braucht es j e t z t – also noch in der Krise – die Auferstehung in unserem Herzen und in unserem Kopf!
Wie das gehen soll?
Der Anstoss dazu steht klar und deutlich in diesem Abschnitt aus dem Korintherbrief:
24 (…). Christus beendet damit alle Herrschaft, alle Gewalt und alle Macht. (1Kor15, 24b)
Nein, da wird nicht dereinst Jesus als der neue Messias wiederkommen und dann alles Schiefe, Korrupte und Niederträchtige für uns zu Recht und Gerechtigkeit biegen.
Darauf warten wir schon seit geraumer Zeit.
Und hier liegt unser grösstes Problem begraben: Wir meinen, ein anderer wird kommen und für uns aufstehen.
Was für ein Trugschluss, meine ich.
W i r sind gefragt, genau dies zu tun!
Sie und ich!
W i r sollen aufstehen und den alten, verbrauchten und ausgeleierten Menschen in uns zu neuem Leben erwecken.
Und wir haben in diesen krisenhaften Tagen und Wochen sehr wohl genügend Zeit, über derlei grundlegende Veränderungen nachzudenken – oder besser gesagt: voraus zu denken!
Wenn ich der Ansicht bin, dass die wunderbare Stille, die saubere Luft und die herrliche Sicht an den blauen Himmel erhebliche Verbesserungen meines Alltags sind, dann entscheide ich mich dafür, das Fliegen in Zukunft auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Oder es gerade ganz zu streichen.
Wenn ich der Meinung bin, es sollten weit mehr die mitmenschlichen Facetten in der Politik und in der Wirtschaft leitend sein, statt die bisher so skrupellos verfolgte Gewinnmaximierungsstrategie, dann beteilige ich mich bei Wahlen und Abstimmungen. Auf dass es demokratisch legitimierte Veränderungen geben möge.
Und wenn ich der Ansicht bin, dass es wieder vermehrt darum gehen muss, Wertschätzung, Anerkennung und Mitgefühl zu leben, dann kann ich dies in all meinem Tun und Lassen, in allen Begegnungen mit den Mitmenschen, ja mit allen Mitgeschöpfen, zum Ausdruck bringen. Ein behutsames Miteinander und Füreinander, das von Anstand und Aufrichtigkeit, von Toleranz und Diskussionsbereitschaft gekennzeichnet ist, kann auch Kultur genannt werden. Und dafür gilt es aufzustehen.
So kann ich Ihnen keine bequeme Osterpredigt in ihre Stube schicken, die darauf abstützt, dass Gott oder Jesus der Christus dereinst, wenn der letzte Tag vergangen sein wird, alles zum Guten führen wird und wir bis dahin unsere Hände gefaltet in den Schoss legen können.
Mit Verlaub, das wäre erbärmlich.
Es liegt auch in u n s e r e r Verantwortung, was sich nach dieser historischen, weltweiten Krise verändern soll, verändern muss.
Nehmen wir sie wahr und anerkennen wir damit, dass wir als Menschenfamilie dafür sorgen sollen, dass es möglichst allen möglichst gut geht.
Sorgen wir dafür, dass Herrschaft von wohlwollendem Miteinander abgelöst und dass Gewalt durch aufrichtiges Mitgefühl ersetzt werden.
Hören wir auf, die Macht von Kapital und Einfluss weder für die eigenen Interessen noch als Instrument zur Unterdrückung zu missbrauchen. Bemühen wir uns vielmehr darum, der Verbundenheit, dem Glück, der Befähigung und Zufriedenheit mehr Gewicht zu verleihen.
Oder wie es Jesus der Christus seinen Freundinnen und Freunden sagte:
35 Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jüngerinnen und Jünger seid: Wenn ihr bei euch der Liebe Raum gebt. (Joh13, 35)
Amen.
J.S. Bach: Heut triumphieret Gottes Sohn
Fürbitten und Unser Vater
Du Göttliches,
Ostern heisst Freude. Freude ob der prallen Fülle des Lebens, die uns auch in Krisenwochen zugemutet wird.
Bitte hilf uns nach Ostern und nach den Tagen des Notstands, die helfende und rücksichtsvolle Verbundenheit zu bewahren – es ist Balsam für unsere bedürftigen Seelen.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
in Peking sehen die Menschen das Blau des Himmels wieder, in den Kanälen Venedigs ist das Wasser glasklar, und die Blechlawine am Gotthard bleibt aus.
Bitte schenk uns die Gnade zu erkennen, dass ein gutes Stück weniger Ursache von uns Menschen, in der Natur viel Wirkung zum Guten hat.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Du Göttliches,
niemand hätte vor wenigen Wochen an ein derartiges Osterfest denken können: ohne die ganze Familie und den Freundeskreis mehr oder weniger alleine zu Hause.
Bitte lass uns geduldig diese auferlegte Distanz ertragen und die kleinen, zarten Zeichen der Verbundenheit geniessen.
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
In die Stille des Innehaltens lassen wir lautlos unser Herz sprechen wovon es weint oder jauchzt
Stille …
Wir bitten dich darum – kyrie eleison
Gemeinsam beten wir:
Unser Vater im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Lied 334, Dona nobis pacem (dreimal)
Segen
Gottes Segen sei mit dir
auf dem gewundenen Weg
deines Lebens,
Tag für Tag;
Bei allem, was Du beginnst,
bei allem, was Dir misslingt,
bei allem was Du zu tragen hast und
in jeder Begegnung.
Gott segne und behüte dich,
Geh in seinem Frieden,
geh mit seiner Liebe,
geh aufrecht, getrost und leicht.
Amen.
G.F. Händel: 1. Orgelkonzert, 3. Satz